Montag, 15. Dezember 2014

Brunichild - verehrt, geliebt/gehasst, gevierteilt, 2. Teil


Die hohe Zeit der Brunichild und ihr Ende

Brunichild, nun Regentin Austrasiens für den unmündigen Sohn, erkannte, dass Adel und Geistlichkeit, im ständigen Kampf um reiche Pfründe und Macht, im diplomatischen Intrigenspiel unsichere Faktoren waren, kein fester Boden, auf den sich ein Königtum gründen konnte und strebte die Stärkung der königlichen Macht durch ihre Zentralisierung an, eine Maßnahme die nach und nach die austrasischen "leudes", die sich in ihrer Einflussnahme und Macht beschränkt sahen, in 2 Lager spaltete.
579 heiratete Ingunde, die älteste Tochter Brunichilds aus der Ehe mit Sigibert ,den westgotischen Prinzen Hermenegild, der auf Wunsch seiner merowingischen Frau zum römisch-katholischen Glauben konvertiert war, eine Handlung, die den König Leovigild, arianischen Glaubens, mit der Witwe Athanagilds - also der Mutter Brunichilds - verheiratet, zum Kampf gegen den Sohn herausforderte, ihn 583/584 vor Sevilla belagernd. Hermenegild, der um das Leben von Frau und Sohn fürchtete, unterstellte beide dem Schutz oströmischen Kaisers Mauricius, der 585 die Herausgabe Ingundes und ihres Sohnes von den Westgoten forderte, was auch gewährt wurde. Ingunde, deren Mutter Brunichild vergeblich auf Unterstützung durch die Großen Austrasiens bei der Befreiung der Tochter "in Marokko" bat, verstarb auf dem Weg nach Byzanz in Karthago. Athanagild, der Enkel, lebte allerdings bis zu seinem Tode am Hof von Byzanz, trotz der ständigen Bitten der Großmutter Brunichild an die Kaiserin Anastasia, den Enkel doch wieder in seine Heimat zurückzusenden. Hermenegild starb im Jahre 586 und ging als der "heilige Hermenegild" in die Annalen ein.
Während Brunichild in Austrasien versuchte, die Macht des Königs zu sichern, wütete in Neustrien die Megäre auf dem Königsthron, Fredegunde. Im Jahre 580 erreichte sie, dass Chilperich seinen letzten lebenden Sohn aus der Ehe mit Audovera gefangen nahm und ihn Fredegunde unterstellend, in Noisy-le-Grand einkerkern ließ. Chlodowech starb dort infolge eines Mordauftrags der Fredegunde (dem Vater wurde der Tod des Sohnes als Selbstmord dargestellt), im gleichen Jahr wurde Audovera im Kloster von Le Mans ermordet, so dass die Schätze dieser Merowinger-Sippe der Fredegunde in die Hände fielen. In diesem unseligen Jahr 580 schien sich Fredegunde auch zum Mord an ihrer Tochter Rigunth entschlossen zu haben. Einerseits wird von Handgreiflichkeiten zwischen Mutter und Tochter berichtet, andererseits davon, dass Fredegunde ihre Tochter bewogen habe, sich aus der Schatztruhe etwas auszuwählen und sie habe, als sich Rigunth über die geöffnete Truhe beugte, versucht, sie mit dem gewaltmäßigen Schließen des Deckels zu erwürgen. In letzter Minute habe die Dienerschaft Rigunth retten können.
Mordversuch der Fredegunde an Tochter Rigunth
Das nächste Jahr 581 brachte Brunichild in Schwierigkeiten. Ein Teil der "leudes" hatte sich, unter der Führung des Aegidius, Bischof von Reims, auf die Seite Chilperichs geschlagen und brachte Brunichild und König Childerich in eine prekäre Lage. Zur besseren militärischen Kontrolle der Abtrünnigen hatte Brunichild den Ducatus Champagne errichtet, Reims und Chalons umfassend, und dem Getreuen Lupus unterstellt, der 581 ermordet wurde. Der Abrünnige Wintrio übernahm an seiner statt den Ducatus. Brunichild entgegnete wirkungsvoll mit der Entfernung des Bischofs Aegidius und Berufung des Lupus-Sohnes Romulfus auf den Bischofsstuhl von Reims.
Chilperich und Fredegunde
584. Der Westgotenkönig Leovigild bat Chilperich I um die Hand seiner Tochter Rigunth für den Sohn Rekkared. Rigunth begab sich, mit reichen Schätzen von der Mutter ausgestattet, und einem Heer von Bediensteten unter Waffen vom Vater auf den Weg nach Toledo, das sie nie erreichte. Chilperich wurde ermordet. Rigunth konnte unter diesen Umständen nicht mehr weiterreisen und trat den Rückweg nach Neustrien an. Die Austrasier, die Gunst der Stunde nutzend, eroberten in einem Überfall die wohl unrechtmäßigen Schätze aus dem Bestand der Fredegund zurück. Es sei Sigiberts, also der austrasische Königsschatz, war die Begründung.
Anders als bei Sigiberts Tod in Austrasien bricht das neustrische Reich nach dem Tod Chilperichs zusammen, die "leudes" Neustriens stehen nicht an Fredegundes Seite bzw. zu dem erst 4 Monate alten Thronerben Chlotar. Auch Fredegunde begibt sich in den Schutz König Guntchramns/Gunthrams von Burgund, der 577 den minderjährigen Sohn seines Bruders Sigibert Childerich zum Schutze adoptierte. Fredegund muss hingegen 300 Große Neustriens bemühen, die die Legitimität Chlotars beschwören, ehe Guntram seinen Schutz gewährt.
Merowingische Fibeln
Ein merkwürdiger Zufall dieser Tod Chilperichs, der kurz vor einer Einigung mit Childebert stand. Genauso merkwürdig dieser Zufall, der die Hochzeitspläne Rigunths zerschlug - sollte der Königsschatz wieder nach Neustrien zurückkehren und das Land nicht verlassen?
587 Der von Fredegund geplante Mord an Childebert II. - er sollte einem ähnlichen Angriff wie Sigibert zum Opfer fallen - wurde von Brunichild vereitelt.
Dies war der Anlass für den Vertrag von Andelot, der im November 587 zwischen Gunthram einerseits, Childebert und Brunichild andererseits geschlossen wurde, mit der Ernennung Childeberst als Erben des Burgundenkönigs.
Siegel Rekkareds
588/89 Rekkared, Prinz der Westgoten (der jüngere Sohn Leovigilds), bietet Childerich II. und Brunichild zur Aussöhnung 100000 solidi für die Unbilden, die Ingunde aufgrund der westgotischen Verfolgung erlitten hatte und bittet um die Hand Chlodosinths, der jüngeren Schwester Ingundes, die Gunthram als Vormund 588 nur widerwillig gewährt. Aber die Hochzeit kommt dennoch nicht zustande, die Burgunden trauen dem Westgoten nicht, der als Hauptverfolger Ingundes und Hermenegilds sich ursächlich für deren Tod verantwortlich zeichnen muss. Um die merowingische Prinzessin Chlodosinth/Chlodoswinth, die auch vom langobardischen Erben beworben wurde, schweigen die Quellen nach 589.
Um 590 wird Childebert wieder in einen Krieg gegen die Langobarden verwickelt. Die austrasischen Großen vertreiben Brunichild aus Austrasien, die sich an den burgundischen Hof flüchtet.
593 tritt der Erbfall ein, König Gunthram stirbt, Childebert II. ist nun König von Austrasien und Burgund.
596 Childebert II. stirbt mit nur 26 Jahren (möglicherweise ebenfalls unnatürlichen Todes), die minderjährigen Enkel Brunichilds Theudebert und Theuderich erben Austro-Burgund, Brunichilds große Zeit als Regentin für die Enkel beginnt.
Siegelring Childerichs

597 stirbt Fredegunde und hinterlässt ihren Sohn Chlotar II. in dem gleichen unbändigen Hass gegen Brunichild. Im gleichen Jahr greifen die Enkel Brunichilds den Sohn der Fredegunde an und drängen ihn in der Schlacht von Dormelles um das Jahr 600 auf einem schmalen Streifen Neustriens zurück - ihm verbleiben nur die Gaue Rouen, Beauvais und Amiens.
Um 600 wird im Ducatus Champagne Wintrio ermordet, angeblich auf Veranlassung Brunichilds, was aber nicht dem Wesen der Königin entspricht; es wäre ihr erster Auftragsmord und auch ihr letzter gewesen, doch das Gerücht fasst Fuß und bildet den Auftakt zum Ende Brunichilds.
Fredegunde, ihr Blick spricht Bände
Die Allianz der merowingischen Brüder Theudebert (Austrasien) und Theuderich (Burgund) hält nur bis etwa 604. Durch Theudebert II. kommt es zu Grenzüberschreitungen im Elsass, um 605 wird gerade noch ein Krieg verhindert. Zu einem Versöhnungstreffen 610 bei Seltz erscheint Theudebert mit einem Heer und hat so den Vorteil auf seiner Seite, er muss sich allerdings 611 mit einem Krieg gegen die Awaren beschäftigen, was nun von Theuderich seinerseits 612 ausgenutzt wird. Er schlägt seinen Bruder zunächst bei Toul und dann bei Zülpich. Bei der Gefangennahme Theudeberts versucht Brunichild vergebens das Schlimmste zu verhindern. Theuderich erschlägt Theudebert, der im Verdacht stand, die eigene Ehefrau Bilichild ermordet zu haben, und dessen Sohn.
Blitzschnell reagiert Brunichild und ernennt den Urenkel Sigibert II., den Sohn Theuderichs, zum Herrscher über Austrasien, um selbst wieder einmal die Regentschaft zu übernehmen. Dieser Schachzug schlägt fehl. Die "leudes" der Austrasier, die sich übergangen fühlen, stellen sich nun offen gegen Brunichild, sie rufen Chlotar II. ins Land und als es 613 zur Schlacht kommt, verweigern auch die Burgunden ihrem König den Dienst und bleiben tatenlos.
Portrait Chlotar II.
Zu der Fehleinschätzung Brunichilds kommt noch die Folge von Theuderichs Auseinandersetzung mit St. Columban von Luxeuil hinzu. Dieser, um die Legitimierung der Söhne Theuderichs gebeten, verweigert diese für den König wichtige Handlung, Theuderich verweist den Heiligen des Landes, der nach Italien zieht. Der Unmut von Adel und Geistlichkeit  gegen die austro-burgundischen Herrscher dient als Quelle geheimer und offener Empörungen und führt  in der Summe der Fehlentscheidungen schließlich zum Eklat.
Theuderich lässt 613 sein Leben. Brunichild wird mit Theudelinda, einer Schwester Theuderichs, in Orbe bei Neuchâtel von dem burgundischen Hausmeier verraten und an Chlotar II. ausgeliefert. Chlotars Rache ist fürchterlich. Zwei von Theuderichs Söhnen lässt er sofort ermorden, lediglich Merowech, sein Patensohn wird verschont. Childebert gelingt die Flucht. Über Brunichild hält Chlotar Gericht. Sie soll den Tod von 10 Merowinger-Königen verschuldet haben (paradoxer Weise sogar den von Sigibert I.), es folgen Folterungen und schließlich die Tötung der 63-jährigen Königin: Mit dem Haupthaar, einem Arm und einem Bein an den Schweif eines Pferdes gebunden wird sie zu Tode geschleift bzw. von den Hufen zerschlagen bis - wie es wörtlich heißt - "die einzelnen Glieder abgefallen sind".
Tod der Brunichild 613


Vorbei waren sie die glänzenden Tage von Metz, vorbei aber auch der 50 Jahre währende Krieg nach der Reichsteilung im Jahre 561 unter den Söhnen Chlotar I. Brunichilds angestrebte Reichseinheit konnte Chilperichs Sohn verwirklichen: Alle merowingischen Konkurrenten waren getötet, die Reiche fielen ihm in den Schoß. Doch nach 10-jähriger Regierungszeit - die Regierung der Reiche gestaltete sich wohl schwieriger als er angenommen hatte - überantwortete er 923 Austrasien seinem Sohn Dagobert I., der in der Nachfolge seines Vaters ab  929 als Dagobert, der Gute. in die Annalen der Geschichte einging.

Unterschrift Dagoberts





Dagobert, der Gute






Nicht nur Kriege hat Brunichild geführt, viele Orts- und Kirchengründungen gehen auf sie zurück, einige von ihnen blieben im Gedächtnis der Zeit bewahrt:
Bruniquel
Bruniquel (Frankreich): Die Burg des Ortes soll von Brunichild erbaut worden sein.



 
                                                                                                                                        .
 Kirche zu den Heiligen Chrispinus und Chrispinianus in Lisdorf (Stadtteil von Saarlouis): Wie die Fama erzählt, etwa 570 durch Sigibert I. und Brunichild gegründet mit Überführung der Gebeine der beiden merowingischen Heiligen

Kirche in Lisdorf im ehem. Bliesgau




Autun, der Ort, an dem Chlotar II. Brunichild nach ihrem Tod in der von ihr gegründeten Kirche St. Martin mit königlichen Ehren bestatten ließ.






Der Dom zu Worms - hier ein Bild von 1901 - soll auf eine Gründung der Brunchild um das Jahr 600 zurückgehen, hier in Rot die merowingische Basilika - aus einer ehemals römischen Anlage erbaut.




Fast sagenhaft erreicht uns die Geschichte aus alten Zeiten, sagenhaft das Leben einer großen Königin, ungerecht und ungesühnt erscheint uns in heutiger Zeit ihr Untergang. Doch bedenkt man es recht, liegt die Ursache dieses 60jährigen Bruderkrieges in der unbändigen Gier, dem Hass, der Eifersucht und dem Neid eines einzelnen Menschen, einer Wahnsinnigen auf dem Königsthron und erinnert daran, dass sich auch heutigentages die Ursache für moderne Kriege offenbar nie verändert hat.

Sagenhaft zeigen sich auch die Spekulationen über den Ursprung der Nibelungensage. Viele sehen in Sigibert I. den Helden Siegfried der Nibelungensage. Auch der Kampf der Königinnen zeigt sich in umgekehrter Form zwischen Fredegund und Brunichild. Allerdings wurde der Name Kriemhild von der Frau Sigiberts III. Chimnehild entlehnt. Der Dom zu Worms, der eine tragende Rolle im Nibelungenlied spielt, wurde um 600 in einer frühen einfachen Form von Brunichild gegründet. Die berühmte Tarnkappe könnte von der wundertätigen Capa St. Martins herrühren, die in der Volksfrömmigkeit der Merowinger eine große Rolle spielte. Als Hunnen wurden von den Merowingern die Awaren bezeichnet, gegen die sie häufig ihr Land verteidigen mussten. Auch Brunichild heiratet wieder wie die Kriemhild, um ihre Rache zu vollenden. Wie die Kriemhild der Sage geht letztlich auch Brunichild an der Verfolgung ihrer Rachepläne unter.




 Szene aus der Nibelungen-Sage im Rathaussaal von Passau