Sonntag, 20. März 2016

Gefesselter Fluss - gesprengte Ketten

Gefesselter Fluss - gesprengte Ketten

Die Rachte des zweiten Elements



Es ist gleich, wie ihr mich zu nennen beliebt: Rhein, Elbe, Donau...ich kenne euch Menschen und ich weiß, wie ihr handelt, denn euer Leben richtet sich nach Gewinn und Verlust.  

Seit Urzeiten sehe ich eurem Treiben zu, als ich anfing, mich tief in die Berge zu graben, Schluchten und Auenlandschaften zu bilden, um den Lebensraum einer vielfältige Arten-Wunderwelt an Tieren und Pflanzen zu schaffen, und ich musste es am „eigenen Leib“ erfahren, wie es ist, wenn die Gier euch treibt. Euch war mein Lauf nicht schnell genug, meine Breite ein Dorn im Auge. Und so habt ihr mich, den Hüter des zweiten Elements, gefesselt, gebunden und eingezwängt. „Schiffbarmachung“ nennt ihr das. Meine wunderbaren Windungen, Mäander genannt, habt ihr durchstochen, gerade Linien dazwischen gezogen, mein Bett verschmälert und vertieft.

Immer schneller müssen dadurch unsere Wasser fließen, immer atemloser gestaltet sich unser Lauf, der Abflusswiderstand aus unseren Auen-Lebensräumen vermindert sich. Große Schiffe und Lastkähne transportieren wir nun schneller zum Ziel, aber gezwungen sind wir, unsere Betten tiefer zu graben - manchmal sogar bis unter die Grundwasserlinie - wir dürfen uns nicht mehr ausdehnen in unsere schönen Auen ...die nun oft vertrocknet sind – auf denen ihr eure Äcker gesetzt habt und nun oft schmerzlich erkennen müsst, dass es jetzt auch an Wasser für eure Felder und Gärten fehlt. Tiefer musstet ihr Brunnen graben, teils unter die Sohle, und ihr wundert euch, dass ihr eine minderwertigere Wasserqualität bekommt!? Nur in wenigen „Altarmen“, den von meinem Hauptbett abgenürten Mäandern, hat sich etwas von der früheren Artenvielfalt bewahrt an Pflanzen, Wasservögeln...Tieren. Unsere limnischen und terreristrischen Systeme habt ihr empfindlich gestört. Ich bin gespannt, ob eure Renaturierungsprogramme, teurer noch als die einstige Begradigung, mir hilft, meine Schmerzen in dem von euch verpassten Korsett, meine Gefangenschaft in euren Ketten zu ertragen.
  
Jetzt aber, jetzt prasseln Regenschauer herab, schon seit Wochen, ich halte diesen Druck in dieser Enge nicht mehr aus, diese Schnelle in meinem Unterlauf ...ich – ich – kann nicht mehr, die Wasser steigen, ich muss höher, immer höher. Ja, stellt mir nur Wände in den Weg, jaaa, stärkt eure Deiche – an meinem Unterlauf werde ich nicht mehr zu bremsen sein ...schneller...höher...ahhh, nun habe ich alle Schutzwände überschritten, viele Dämme gebrochen ...ahhh – ich bin frei und ohne Fesseln, ich bin dort, wo ich einst zu Hause war...


Ich bin das zweite Element, niemand widersetzt sich mir auf Dauer.
Zerstörte Existenzen, zerstörtes Leben ...culpa populo!!

c) Elke Gelzleichter 20.03.16

Montag, 23. Februar 2015

Kostbarer als Lapislazuli - der Friede in Afghanistan

Geschichte Afghanistans - Ursachen und Wirkungen zur Situation der letzten Jahre
Lapislazuli (c Wikipedia)
1980: "Ein schönes Stück haben Sie sich ausgesucht", sagte der Händler in dem kleinen ostasiatischen Laden mit einer Palette an Angeboten, von kleinen Kostbarkeiten bis zu skurrilen Sonderheiten reichend. Er legte die ärmellose Jacke aus rosa gefüttertem Samt mit zarten floralen Stickereien in Altrosa fachgerecht zusammen, sorgsam, dazwischen eine Lage Seidenpapiers. "Es sind die letzten Jacken und Westen, die ich kriegen konnte," fuhr er fort - ich sah in fragend an. "Afghanistan ist jetzt zu. Der Krieg, der sich dort entwickelt, wird das Land auf lange Zeit nicht zur Ruhe kommen lassen. Wir werden in den nächsten Jahren keine solch schönen Arbeiten von dort mehr beziehen können", ergänzte er achselzuckend. Ich entschloss mich noch zu einer leuchtend blau bestickten kurzen Weste, blau wie der Lapislazuli aus dem westlichen Hindukusch, ein Name, der nicht mehr mit diesem kostbaren Amulettstein in Verbindung gebracht wird, sondern der eher durch Kriegsberichte aus diesem Gebiet der westlichen Welt geläufig ist.
Nicht nur Lapislazuli, mit seinen goldfarbenen Pyriteinsprengungen in tiefem Dunkelblau dem sternenbestreuten Nachthimmel geich, sondern auch Gold und Silber zählten schon in der Antike zu Afghanistans Exporten. Die Damen Unterägyptens, Mesopotamiens, Turkmeniens und Persiens schmückten sich schon in der 2. Hälfte des 3. Jahrtausends vor Christus mit diesen Kostbarkeiten Aryanas, dem antiken Namen Afghanistans - im Mittelalter Khurasan genannt. So blieb dem Land, aufgrund seiner Lage in einem Trockengürtel mit staubigen Wüsten und Steppen, einem geringen Anteil an Wald nur die Möglichkeit, in der sog. Oasenkultur mit der Errichtung eines ausgeklügelten Bewässerungssystems Ackerbau zu betreiben und daneben mit dem Handel seiner Bodenschätze gewinnbringende Einnahmen zu erzielen. Aus diesem System entstanden Orte, die teilweise schon städtischen Charakter hatten. All dies deutet auf ein Matriarchat in dieser Zeit hin, jedoch ging diese Kultur bereits 1700 vor Chr. unter. Durch die günstige Lage an den Haupthandelswegen wie z. B. der Seidenstraße und dadurch den Verbindungen von Zentralasien, China und Indien bis zum vorderen Orient und Mittelmeerraum, entwickelte sich das alte Afghanistan bis zur Neuzeit zu einem Land des Zwischenhandels. Allerdings lag es auch seit alters her immer im Spannungsfeld polarisierender Kräfte und politischer Interessen. Unterschiedliche Strömungen trafen in dem Land aufeinander, von Westen her die arabisch-islamische sowie die persische, vom Südosten her die indische Kultur, die einen häufigen Wechsel in der historischen Entwicklung erzeugten, die uns heute mit der Problematik konfrontiert, Afghanistan eindeutig einem der asiatischen Kulturerdteile zuzuordnen. So bildet es einen vielfach überprägten Kulturraum und man bezeichnet es mit Fug und Recht als Wegekreuz Asiens. Die arabische Islamierung zwischen dem 7. und 10. Jhdt. brachte tiefgreifende Veränderungen mit sich, durch die Sprache, Religion und Schrift - von den Arabern entlehnt wurden. Ein fruchtbare Zeit begann mit der Ghaznavid-Dynastie und der erstmaligen Bildung eines Staatsgebildes in Afghanistan. Doch in der Folge wurde das Land immer wieder erobert, wie z. B. den türkischen Seldschuken, schlussendlich von den Mongolen, die das Land beherrschten, ausbeuteten und verwüsteten, indem sie auch die Bewässerungssysteme zerstörten und eine dauerhafte Wüste hinterließen. Die Timuriden brachten dem Reich mit der Hauptstadt Sarmakand einen kulturellen Aufschwung bis ins. 16. Jhdt., es folgte eine zweihundertjährige Zugehörigkeit Ost-Afghanistans zu Indien unter den Großmoguln. Der Westen mit Herat wurde beherrscht durch persisch-schiitische Safawiden, der Norden war in usbekische Fürstentümer aufgeteilt, den Rest teilten sich Paschtunen und Belutschen. Die Zerissenheit des Landes, die ständige Fremdbestimmung und die Ausbeutung in der Feudalherrschaft führten zu Aufständen, die in der Mitte des 18. Jhdts. die Entstehung eines afghanischen Staates vorbereiteten. Es war ein selbständiges Königreich, geschaffen durch seinen Gründer Ahmad Schah Durrani, der sich 1747 in der damaligen Hauptstadt Kandahar zum König ausrufen ließ. Dieses Reich erstreckte sich von Zentralasien nach Delhi, von Kaschmir zum Arabischen Meer, zerfiel aber nach dem Tod des Eroberers 1772/1773. Die von ihm geschaffene Staats- und Militärorganisation blieb aber ein bedeutsamer Entwicklungsfaktor Afghanistans. Das folgende 19. Jahrhundert war ebenfalls kein friedvolles. Stammesstreitigkeiten führten zu Teilungen des Landes und bedeutenden kriegerischen Einmischungen von außen. Das "Great Game" der kolonialisierenden Mächte Russland (mit dem Ziel über Turkestan nach Indien, um in den Besitz eines eisfreien Hafens zu gelangen) und Großbritannien (dessen Ziel, das Land dem britischen Dominian Indien einzuverleiben). Dieser Konflikt führte zum Eingreifen der Briten in einen Thronfolgerkrieg in Afghanistan und zu mehreren anglo-afghanischen Kriegen, der erste von 1838-1842, der mit dem Scheitern der Briten, Afghanistan zu besetzen und Indien einzuverleiben, endete. Auch der zweite Krieg 1878-1881 änderte an dem Status Quo nichts. Mit Hilfe der Briten gelangte schließlich Abdul Rahman Khan, ein Enkel des Dost Mohammed, paschtunischen Geblüts auf den Thron, der als aufgeklärter Herrscher galt und danach trachtete, sein Land in die Moderne zu führen. Unter seiner Herrschaft legten Russen und Briten die Grenzen des heutigen Afghanistans fest, und zwar zunächst 1893 mit der Schaffung einer Demarkationslinie - der sog. Durand-Linie - zwischen Afghanistan und Britisch-Indien, mit der Festlegung der Verantwortung über die einzelnen Gebiete. Seine bis heute gültige Nordgrenze erhielt Afghanistan 1898 mit dem Südteil des Khanates Buchara. Der 3. britisch-afghanische Krieg, aus dem König Amanullah als Sieger hervorging, endete mit dem Frieden von Rawalpindi 1919.
König Amanullah brachte dem Land die Souveränität und 1921 im Vertrag von Kabul die volle Anerkennung seiner Unabhängigkeit durch Russland und Großbritannien. Die Regierungsform Afghanistans wandelte sich 1925 in eine konstitutionelle Monarchie. Der König strebte grundlegende Reformen an, um das Land wirtschaftlich und sozial neu zu organisieren. Bildungsprogramme für Frauen, Abschaffung der Polygamie und Einschränkung der Geistlichkeit sollten die ersten Wege des Fortschritts bilden. Zu einem politischen Großereignis geriet 1927 sein Besuch in Deutschland, der von der Weimarer Republik, neben dem Besuch des ägyptischen Königs Faruk, dahingehend gewertet wurde, dass die Isolation Deutschlands nach dem verlorenen Krieg 1918 zu Ende ging, der erste Baustein für die viel zitierte deutsch-afghanische Freundschaft. Aufgrund der miserablen wirtschaftlichen Situation Deutschlands nach dem ersten Weltkrieg schlossen zahlreiche deutsche Fachleute und Firmen Verträge mit den Abgesandten Afghanistans ab. Nicht nur afghanische Studenten absolvierten ihr Studium in Deutschland, auch eine deutschsprachige Schule in Kabul trug zur Förderung der bilateralen Beziehungen bei, so dass Deutschland schließlich zum drittwichtigsten Handelspartner - nach Russland und Großbritannien - wurde. Diese glückliche Zeit Afghanistans endete 1929 mit dem Sturz König Amanullahs durch erzkonservative Kräfte mit Hilfe der Briten. General Mohamed Nadir kehrte aus Pariser Exil zurück nach Afghanistan, wurde zum König erhoben und unter seiner Regentschaft alle Reformbestrebungen Amanullahs wieder rückgängig gemacht mit Stärkung der Machtposition der islamischen Geistlichkeit. 

Dass diese britische Politik und Entscheidung keine glückliche war, zeigt sich darin, dass auch im 20. Jahrhundert das Land keine Ruhe fand. Nach der Ermordung des Schah Mohammed Nadir 1933, folgte ihm dessen 19-jähriger Bruder (und 3 weiteren Brüdern in der Regierung) als Regent für den erst 3-jährigen Thronfolger Sahir Schah. Unter dessen Führung kam es 1965 zu den ersten freien Wahlen in Afghanistan und der erstmaligen Übertragung eines Ministeriums (für Gesundheit) an eine Frau, die Abgeordnete K. Noorzai. Doch die Auseinandersetzung zwischen den einzelnen Stämmen sowie Nahrungsmittelkrisen führten immer wieder zu militanten intranationalen Auseinandersetzungen und schließlich, infolge eines Staatsstreiches, zur Absetzung des zu einem Kuraufenthalt in Italien weilenden Königs. Der Usurpator, ein Schwager des Schah Sahir, der ehemalige Ministerpräsident Sardar Mohammed Daoud Khan, riss alle Ämter an sich, so dass er in Personalunion Staatpräsident, Regierungschef, Verteidigungs- und Außenminister wurde, den König 1973 zur Abdankung zwang. Daoud Khan glaubte außenpolitisch, den Status eines Pufferstaates zwischen der Sowjetunion und dem Westen beibehalten zu können, wurde aber durch seine Regierungsform, die sich zu einer brutalen Diktatur ausgeartet hatte, durch linke oppositionelle Parteien, aber auch durch islamische Gruppierungen aus der Illegalität und dem Exil in Pakistan heraus bekämpft. Der Diktator endete in der Saur-Revolution 1978, indem er nach einer blutigen Belagerung seines Palastes durch das Militär hingerichtet wurde. Die neuen Machthaber nannten den Staat "Demokratische Republik Afghanistan" und versuchten vermittels Bodenreform das Land neu zu strukturieren und es zu einem modernen sozialistischen Staat zu entwickeln, dieses Unterfangen brachte sie in Abhängigkeit zur Sowjetunion, während sich die enteigneten Großgrundbesitzer mit Hilfe des lokalen islamischen Klerus, weiterhin chinesischer Hilfe und schließlich amerikanischer Soldaten wieder in die alten Besitzverhältnisse zu setzen suchten. Die Regierung geriet aber gegen die konservativ-islamischen Kräfte immer mehr in die Defensive, so dass die Sowjetunion 1979 Truppen entsandte. Nun wurde Afghanistan das Opfer eines "Stellvertreterkrieges", es gelang jedoch der Sowjetunion, ebenso wie ein Jahrhundert zuvor den Briten, nicht, die Guerillataktik der Widerstandskämpfer zu brechen und verließ 1989 das Land. Trotz des kompletten Rückzugs der UDSSR gingen die Kämpfe zwischen der Regierung und den Mudschaheddin weiter. Die Regierung Nadschibullahs konnte mit der sowjetischen Unterstützung überleben, sich aber ab 1991 mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht mehr halten. Kabul wurde 1992 von den Truppen Massouds und Dostums erobert.
Aber sofort entbrannte ein Bürgerkrieg zwischen den einzelnen Gruppierungen der Mudschaheddin, der das Land in einem Chaos versinken ließ und es schließlich den zum großen Teil aus Saudi-Arabien und Pakistan rekrutierten Taliban in die Hände spielte.
In der Auswertung der Vorgeschichte des auch heute immer noch friedlosen Landes Afghanistan, kann man im Resumeé nur zu dem Schluss kommen, dass jede fremde Einmischung in die nationalen Verhältnisse, das Land in ein noch immer größeres Chaos gestürzt haben. Das stolze afghanische Volk erträgt auf Dauer keine Einmischung fremder Kulturen. Niemand kann den Kampf gegen die Taliban gewinnen, als das afghanische Volk selbst, wenn es sein Wille ist. Die Ausbildung und Unterstützung in der Kriegsmaschinerie bringen auf Dauer nur Verluste, aber keine Lösung, wenn nicht gleichzeitig in einer zehnfachen Anstrengung technische und finanzielle Investitionen für ein ökonomisch sinnvolles Bewässerungssystem in den kriegsfreien Gebieten investiert werden, um dem traditionell agrar-orientierten Land, neue Möglichkeiten des Ackerbaues aufzuzeigen, die neue Hoffnungen auf einen durch eigene Kraft erreichten Aufschwung des Landes geben können mit der Zielrichtung eines erstrebenswerten Friedens. Schulung der männlichen wie der weiblichen Bevölkerung in der eigenen Geschichte, Ethik und den Menschenrechten mit Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls der afghanischen Nation, um den einzelnen Stämmen zu zeigen, dass alte Machtstrukturen nur in Verfall und Verelendung des Landes führen. Es ist möglich, dass dieses Ziel den Präsidenten Karzai vor einiger Zeit dazu veranlasste, während einer Zusammenkunft der Stammeshäuptlinge - für die westliche Welt unverständlich -  einen verzweifelten Versuch startete, die Stämme auf Zusammenhalt und unverbrüchliche Gemeinschaft einzuschwören. Solange das Machtstreben einzelner nicht den Interessen und der Gemeinschaft des gesamten Volkes untergeordnet werden kann, wird das Wegekreuz Asiens immer gleichzeitig das Wegekreuz ausländischer Begierden und Interessen, gleich welchen Couleurs, sein und die Fackel des Krieges immer weiter gereicht werden.  
 Die Samtwesten aus Afghanistan konnten mit fortschreitendem Alter und veränderter Mode nicht mehr getragen werden, vielleicht haben sie über das Rote Kreuz wieder den Weg in ihr Ursprungsland gefunden.
Doch ein Ring aus Silber und Lapislazuli erinnert an das Kostbarste für Afghanistan: Dauerhaften Frieden; denn es ist zweifelhaft, ob das hehre Ziel unter dem 2014 gewählten Präsidenten Ashraf Ghani Ahmadzai erreicht werden kann.

Elke Gelzleichter 2015




Montag, 15. Dezember 2014

Brunichild - verehrt, geliebt/gehasst, gevierteilt, 2. Teil


Die hohe Zeit der Brunichild und ihr Ende

Brunichild, nun Regentin Austrasiens für den unmündigen Sohn, erkannte, dass Adel und Geistlichkeit, im ständigen Kampf um reiche Pfründe und Macht, im diplomatischen Intrigenspiel unsichere Faktoren waren, kein fester Boden, auf den sich ein Königtum gründen konnte und strebte die Stärkung der königlichen Macht durch ihre Zentralisierung an, eine Maßnahme die nach und nach die austrasischen "leudes", die sich in ihrer Einflussnahme und Macht beschränkt sahen, in 2 Lager spaltete.
579 heiratete Ingunde, die älteste Tochter Brunichilds aus der Ehe mit Sigibert ,den westgotischen Prinzen Hermenegild, der auf Wunsch seiner merowingischen Frau zum römisch-katholischen Glauben konvertiert war, eine Handlung, die den König Leovigild, arianischen Glaubens, mit der Witwe Athanagilds - also der Mutter Brunichilds - verheiratet, zum Kampf gegen den Sohn herausforderte, ihn 583/584 vor Sevilla belagernd. Hermenegild, der um das Leben von Frau und Sohn fürchtete, unterstellte beide dem Schutz oströmischen Kaisers Mauricius, der 585 die Herausgabe Ingundes und ihres Sohnes von den Westgoten forderte, was auch gewährt wurde. Ingunde, deren Mutter Brunichild vergeblich auf Unterstützung durch die Großen Austrasiens bei der Befreiung der Tochter "in Marokko" bat, verstarb auf dem Weg nach Byzanz in Karthago. Athanagild, der Enkel, lebte allerdings bis zu seinem Tode am Hof von Byzanz, trotz der ständigen Bitten der Großmutter Brunichild an die Kaiserin Anastasia, den Enkel doch wieder in seine Heimat zurückzusenden. Hermenegild starb im Jahre 586 und ging als der "heilige Hermenegild" in die Annalen ein.
Während Brunichild in Austrasien versuchte, die Macht des Königs zu sichern, wütete in Neustrien die Megäre auf dem Königsthron, Fredegunde. Im Jahre 580 erreichte sie, dass Chilperich seinen letzten lebenden Sohn aus der Ehe mit Audovera gefangen nahm und ihn Fredegunde unterstellend, in Noisy-le-Grand einkerkern ließ. Chlodowech starb dort infolge eines Mordauftrags der Fredegunde (dem Vater wurde der Tod des Sohnes als Selbstmord dargestellt), im gleichen Jahr wurde Audovera im Kloster von Le Mans ermordet, so dass die Schätze dieser Merowinger-Sippe der Fredegunde in die Hände fielen. In diesem unseligen Jahr 580 schien sich Fredegunde auch zum Mord an ihrer Tochter Rigunth entschlossen zu haben. Einerseits wird von Handgreiflichkeiten zwischen Mutter und Tochter berichtet, andererseits davon, dass Fredegunde ihre Tochter bewogen habe, sich aus der Schatztruhe etwas auszuwählen und sie habe, als sich Rigunth über die geöffnete Truhe beugte, versucht, sie mit dem gewaltmäßigen Schließen des Deckels zu erwürgen. In letzter Minute habe die Dienerschaft Rigunth retten können.
Mordversuch der Fredegunde an Tochter Rigunth
Das nächste Jahr 581 brachte Brunichild in Schwierigkeiten. Ein Teil der "leudes" hatte sich, unter der Führung des Aegidius, Bischof von Reims, auf die Seite Chilperichs geschlagen und brachte Brunichild und König Childerich in eine prekäre Lage. Zur besseren militärischen Kontrolle der Abtrünnigen hatte Brunichild den Ducatus Champagne errichtet, Reims und Chalons umfassend, und dem Getreuen Lupus unterstellt, der 581 ermordet wurde. Der Abrünnige Wintrio übernahm an seiner statt den Ducatus. Brunichild entgegnete wirkungsvoll mit der Entfernung des Bischofs Aegidius und Berufung des Lupus-Sohnes Romulfus auf den Bischofsstuhl von Reims.
Chilperich und Fredegunde
584. Der Westgotenkönig Leovigild bat Chilperich I um die Hand seiner Tochter Rigunth für den Sohn Rekkared. Rigunth begab sich, mit reichen Schätzen von der Mutter ausgestattet, und einem Heer von Bediensteten unter Waffen vom Vater auf den Weg nach Toledo, das sie nie erreichte. Chilperich wurde ermordet. Rigunth konnte unter diesen Umständen nicht mehr weiterreisen und trat den Rückweg nach Neustrien an. Die Austrasier, die Gunst der Stunde nutzend, eroberten in einem Überfall die wohl unrechtmäßigen Schätze aus dem Bestand der Fredegund zurück. Es sei Sigiberts, also der austrasische Königsschatz, war die Begründung.
Anders als bei Sigiberts Tod in Austrasien bricht das neustrische Reich nach dem Tod Chilperichs zusammen, die "leudes" Neustriens stehen nicht an Fredegundes Seite bzw. zu dem erst 4 Monate alten Thronerben Chlotar. Auch Fredegunde begibt sich in den Schutz König Guntchramns/Gunthrams von Burgund, der 577 den minderjährigen Sohn seines Bruders Sigibert Childerich zum Schutze adoptierte. Fredegund muss hingegen 300 Große Neustriens bemühen, die die Legitimität Chlotars beschwören, ehe Guntram seinen Schutz gewährt.
Merowingische Fibeln
Ein merkwürdiger Zufall dieser Tod Chilperichs, der kurz vor einer Einigung mit Childebert stand. Genauso merkwürdig dieser Zufall, der die Hochzeitspläne Rigunths zerschlug - sollte der Königsschatz wieder nach Neustrien zurückkehren und das Land nicht verlassen?
587 Der von Fredegund geplante Mord an Childebert II. - er sollte einem ähnlichen Angriff wie Sigibert zum Opfer fallen - wurde von Brunichild vereitelt.
Dies war der Anlass für den Vertrag von Andelot, der im November 587 zwischen Gunthram einerseits, Childebert und Brunichild andererseits geschlossen wurde, mit der Ernennung Childeberst als Erben des Burgundenkönigs.
Siegel Rekkareds
588/89 Rekkared, Prinz der Westgoten (der jüngere Sohn Leovigilds), bietet Childerich II. und Brunichild zur Aussöhnung 100000 solidi für die Unbilden, die Ingunde aufgrund der westgotischen Verfolgung erlitten hatte und bittet um die Hand Chlodosinths, der jüngeren Schwester Ingundes, die Gunthram als Vormund 588 nur widerwillig gewährt. Aber die Hochzeit kommt dennoch nicht zustande, die Burgunden trauen dem Westgoten nicht, der als Hauptverfolger Ingundes und Hermenegilds sich ursächlich für deren Tod verantwortlich zeichnen muss. Um die merowingische Prinzessin Chlodosinth/Chlodoswinth, die auch vom langobardischen Erben beworben wurde, schweigen die Quellen nach 589.
Um 590 wird Childebert wieder in einen Krieg gegen die Langobarden verwickelt. Die austrasischen Großen vertreiben Brunichild aus Austrasien, die sich an den burgundischen Hof flüchtet.
593 tritt der Erbfall ein, König Gunthram stirbt, Childebert II. ist nun König von Austrasien und Burgund.
596 Childebert II. stirbt mit nur 26 Jahren (möglicherweise ebenfalls unnatürlichen Todes), die minderjährigen Enkel Brunichilds Theudebert und Theuderich erben Austro-Burgund, Brunichilds große Zeit als Regentin für die Enkel beginnt.
Siegelring Childerichs

597 stirbt Fredegunde und hinterlässt ihren Sohn Chlotar II. in dem gleichen unbändigen Hass gegen Brunichild. Im gleichen Jahr greifen die Enkel Brunichilds den Sohn der Fredegunde an und drängen ihn in der Schlacht von Dormelles um das Jahr 600 auf einem schmalen Streifen Neustriens zurück - ihm verbleiben nur die Gaue Rouen, Beauvais und Amiens.
Um 600 wird im Ducatus Champagne Wintrio ermordet, angeblich auf Veranlassung Brunichilds, was aber nicht dem Wesen der Königin entspricht; es wäre ihr erster Auftragsmord und auch ihr letzter gewesen, doch das Gerücht fasst Fuß und bildet den Auftakt zum Ende Brunichilds.
Fredegunde, ihr Blick spricht Bände
Die Allianz der merowingischen Brüder Theudebert (Austrasien) und Theuderich (Burgund) hält nur bis etwa 604. Durch Theudebert II. kommt es zu Grenzüberschreitungen im Elsass, um 605 wird gerade noch ein Krieg verhindert. Zu einem Versöhnungstreffen 610 bei Seltz erscheint Theudebert mit einem Heer und hat so den Vorteil auf seiner Seite, er muss sich allerdings 611 mit einem Krieg gegen die Awaren beschäftigen, was nun von Theuderich seinerseits 612 ausgenutzt wird. Er schlägt seinen Bruder zunächst bei Toul und dann bei Zülpich. Bei der Gefangennahme Theudeberts versucht Brunichild vergebens das Schlimmste zu verhindern. Theuderich erschlägt Theudebert, der im Verdacht stand, die eigene Ehefrau Bilichild ermordet zu haben, und dessen Sohn.
Blitzschnell reagiert Brunichild und ernennt den Urenkel Sigibert II., den Sohn Theuderichs, zum Herrscher über Austrasien, um selbst wieder einmal die Regentschaft zu übernehmen. Dieser Schachzug schlägt fehl. Die "leudes" der Austrasier, die sich übergangen fühlen, stellen sich nun offen gegen Brunichild, sie rufen Chlotar II. ins Land und als es 613 zur Schlacht kommt, verweigern auch die Burgunden ihrem König den Dienst und bleiben tatenlos.
Portrait Chlotar II.
Zu der Fehleinschätzung Brunichilds kommt noch die Folge von Theuderichs Auseinandersetzung mit St. Columban von Luxeuil hinzu. Dieser, um die Legitimierung der Söhne Theuderichs gebeten, verweigert diese für den König wichtige Handlung, Theuderich verweist den Heiligen des Landes, der nach Italien zieht. Der Unmut von Adel und Geistlichkeit  gegen die austro-burgundischen Herrscher dient als Quelle geheimer und offener Empörungen und führt  in der Summe der Fehlentscheidungen schließlich zum Eklat.
Theuderich lässt 613 sein Leben. Brunichild wird mit Theudelinda, einer Schwester Theuderichs, in Orbe bei Neuchâtel von dem burgundischen Hausmeier verraten und an Chlotar II. ausgeliefert. Chlotars Rache ist fürchterlich. Zwei von Theuderichs Söhnen lässt er sofort ermorden, lediglich Merowech, sein Patensohn wird verschont. Childebert gelingt die Flucht. Über Brunichild hält Chlotar Gericht. Sie soll den Tod von 10 Merowinger-Königen verschuldet haben (paradoxer Weise sogar den von Sigibert I.), es folgen Folterungen und schließlich die Tötung der 63-jährigen Königin: Mit dem Haupthaar, einem Arm und einem Bein an den Schweif eines Pferdes gebunden wird sie zu Tode geschleift bzw. von den Hufen zerschlagen bis - wie es wörtlich heißt - "die einzelnen Glieder abgefallen sind".
Tod der Brunichild 613


Vorbei waren sie die glänzenden Tage von Metz, vorbei aber auch der 50 Jahre währende Krieg nach der Reichsteilung im Jahre 561 unter den Söhnen Chlotar I. Brunichilds angestrebte Reichseinheit konnte Chilperichs Sohn verwirklichen: Alle merowingischen Konkurrenten waren getötet, die Reiche fielen ihm in den Schoß. Doch nach 10-jähriger Regierungszeit - die Regierung der Reiche gestaltete sich wohl schwieriger als er angenommen hatte - überantwortete er 923 Austrasien seinem Sohn Dagobert I., der in der Nachfolge seines Vaters ab  929 als Dagobert, der Gute. in die Annalen der Geschichte einging.

Unterschrift Dagoberts





Dagobert, der Gute






Nicht nur Kriege hat Brunichild geführt, viele Orts- und Kirchengründungen gehen auf sie zurück, einige von ihnen blieben im Gedächtnis der Zeit bewahrt:
Bruniquel
Bruniquel (Frankreich): Die Burg des Ortes soll von Brunichild erbaut worden sein.



 
                                                                                                                                        .
 Kirche zu den Heiligen Chrispinus und Chrispinianus in Lisdorf (Stadtteil von Saarlouis): Wie die Fama erzählt, etwa 570 durch Sigibert I. und Brunichild gegründet mit Überführung der Gebeine der beiden merowingischen Heiligen

Kirche in Lisdorf im ehem. Bliesgau




Autun, der Ort, an dem Chlotar II. Brunichild nach ihrem Tod in der von ihr gegründeten Kirche St. Martin mit königlichen Ehren bestatten ließ.






Der Dom zu Worms - hier ein Bild von 1901 - soll auf eine Gründung der Brunchild um das Jahr 600 zurückgehen, hier in Rot die merowingische Basilika - aus einer ehemals römischen Anlage erbaut.




Fast sagenhaft erreicht uns die Geschichte aus alten Zeiten, sagenhaft das Leben einer großen Königin, ungerecht und ungesühnt erscheint uns in heutiger Zeit ihr Untergang. Doch bedenkt man es recht, liegt die Ursache dieses 60jährigen Bruderkrieges in der unbändigen Gier, dem Hass, der Eifersucht und dem Neid eines einzelnen Menschen, einer Wahnsinnigen auf dem Königsthron und erinnert daran, dass sich auch heutigentages die Ursache für moderne Kriege offenbar nie verändert hat.

Sagenhaft zeigen sich auch die Spekulationen über den Ursprung der Nibelungensage. Viele sehen in Sigibert I. den Helden Siegfried der Nibelungensage. Auch der Kampf der Königinnen zeigt sich in umgekehrter Form zwischen Fredegund und Brunichild. Allerdings wurde der Name Kriemhild von der Frau Sigiberts III. Chimnehild entlehnt. Der Dom zu Worms, der eine tragende Rolle im Nibelungenlied spielt, wurde um 600 in einer frühen einfachen Form von Brunichild gegründet. Die berühmte Tarnkappe könnte von der wundertätigen Capa St. Martins herrühren, die in der Volksfrömmigkeit der Merowinger eine große Rolle spielte. Als Hunnen wurden von den Merowingern die Awaren bezeichnet, gegen die sie häufig ihr Land verteidigen mussten. Auch Brunichild heiratet wieder wie die Kriemhild, um ihre Rache zu vollenden. Wie die Kriemhild der Sage geht letztlich auch Brunichild an der Verfolgung ihrer Rachepläne unter.




 Szene aus der Nibelungen-Sage im Rathaussaal von Passau





Mittwoch, 12. November 2014

Brunichild - verehrt, geliebt/gehasst, gevierteilt, Teil 1



                Hochzeit Brunichild und Sigebert
 
 
Eine wunderschöne Braut -
ein rauschendes Fest,
goldenes und silbernes Geschirr,
erlesene Speisen und Getränke!
 
 
Die Großen, geladen zum prächtigen Hochzeitsfest des austrasischen Königs Sigebert, sind geblendet, entzückt. Venantius Fortunatus der "letzte römische" und "erste mittelalterliche Dichter" italienischer Herkunft, (der spätere, heiliggesprochene Bischof von Poitiers), ist Gast am Metzer Hofe. Ein Gedicht aus eigener Feder erfreut das erlauchte Paar und die noblen Gäste
 
 

"Sonne, beleuchte den glücklichen Tag;

gieß du über ihn deine Strahlen

von heiterer Klarheit;

erfülle der Gatten Gemach

für uns geboren, Sigibert, und unser Glück

leistet er freudvoll den heiligen Eid. Von anderer

Liebe frei

erträgt er die süße Fessel. Sein lauterer Geist

bezwingt seine Jugend, wünscht dem Bunde die Reinheit..

Sigbert, du Liebender, den Brunhilds Feuer bedrängt ...

Dein hoher Adel erstrahlt, Tochter Athanagilds,

dessen Reich die Grenzen der Erde berührt.

Mit allen irdischen Gütern gesegnet regiert dieser

König sein Volk

in Spanien, mit Weisheit, die zu preisen sich lohnt."



Ja, "schön, klug, von umsichtigem Rat und angenehmer Gesellschaft" (lt. Gregor von Tours) ist sie, Brunichild, die Tochter des Westgotenkönigs Athanagild, trotz oder vielleicht wegen ihres jugendlichen Alters von 16 Jahren, bewundert, verehrt, geliebt. Eine weitere westgotische Schönheit weckt angesichts des Brautschatzes der Westgotin Brunichild Begehrlichkeiten. Chilperich I., König Neustriens, der seine angetraute Audovera vor nicht allzu langer Zeit verstoßen hatte, der Halbbruder Sigiberts (in offener Rivalität), "scheelen Auges" die Pracht des Metzer Königshofes neidend, im Hinbllick auf eine zu erwartende reiche Mitgift und die ebenfalls mit Schönheit gesegnete ältere Schwester der jungen Königin Austriens, wirbt er um die Gunst Gailswinthas und deren Hand, die ihm von Athanagild gewährt wird, unter der Prämisse des Versprechens Chilperichs, dass dieser die Beziehung zu der Kebse Fredegunde (seit etwa 565) beenden möge. So geschieht es, dass die schöne Gailswintha an den Hof von Soissons zieht, 567 heiratet und wenige Jahre später durch Mörderhand den Tod findet.
 
Fredegunde
 
Die Verstoßung der Audovera
 
  
Die Ermordung Gailswinthas
 
Niemand hatte es voraus gesehen: Weder Athanagild, der selbst nicht zimperlich zum Erreichen seines Königstums im Westgotenreich vorgegangen war (551-555 siegreicher Aufstand gegen König Agila I), weder der strahlende Schwager Sigibert, der geliebte König Austrasiens, noch dessen Ehefrau Brunichild, die gerne die Schwester als Königin von Neustrien sah.
Wer rechnete schon mit den erotischen Künsten der Fredegunde, einer Unfreien aus dem Gefolge der Audovera, die nicht daran dachte, ihre Machtstellung bei Hofe aufzugeben und es verstand, Chilperich zu umstricken und mit Intrigen zu blenden. Vorbei das leichte Spiel mit der sanften Audovera und den König zum Verstoß zu bewegen, aber Galswintha, die stolze Westgotin, ließ sich weder die Unbotmäßigkeiten der ehemaligen Magd bieten noch das ungebührliche Verhalten des Gatten und drohte in den Jahren 570/571, ihn samt ihren Schätzen zu verlassen. Der Verlust der Schätze - nicht auszudenken, Fredegunds Pläne reichten weit über das Morgen hinaus. Je entschiedener Gailswintha ihre Entschlossenheit bekräftigte, um so mehr reiften Mordgedanken in der bösen, machtgierigen Konkubine. Lange hatte sie nach der Krone der Königin getrachtet und niemand und nichts konnte sie davon abhalten. Athanagild, der Vater Gailswinthas, der Chilperich hätte in die Schranken verweisen können, war schon im Jahre der Hochzeit 567 verstorben. Der gedungene Mörder, ein Diener der Fredegund, erdrosselte oder erschlug (wer weiß es schon genau zu sagen) die etwa 21-jährige Königin in ihrem Bett. Maßloses Entsetzen erschütterte den Hof zu Metz, zumal die Nachricht von dem Tode Gailswinthas mit der Nachricht von der erneuten Eheschließung des Chilperich einherging, die Mörderin Fredegunde hatte die erste Etappe ihres Ziels erreicht. Trauernd schrieb Fortunatus seine "Gelesvintha-Elegie".
Brunichild, die aus Gattenliebe zum römischen Christentum konvertierte Arianerin, erbebte vor Zorn, dieser Frevel - Gatten- und Königsmord - konnte nur mit Blut der Mörder wieder reingewaschen werden. Das Maß der Schandtaten des Neustriers (durch den Tod Chlotars I. seit 561 mit ständigen Attacken, beginnend mit dem versuchten Raub des Königsschatzes und der versuchten Eroberung von Paris) war voll, Sigibert zog in den Krieg...
 
Vitry: Man schreibt das Jahr 575, Sigibert hat nach etlichen Schlachten und Kriegsjahren Chilperich (den einzigen Sohn Chlotars aus der Ehe mit Arnegunde) endgültig bezwungen, das Volk Neustriens jubelt im zu - dieser strahlende Held soll ihr König sein, man hebt ihn auf die Schilde - eine übliche Form der Königserhebung - da dringen von 2 Seiten gedungene Mörder auf ihn ein und töten den Sieger mit vergifteten Dolchen (Skramasax), zurück bleibt Brunichild mit dem unmündigen 5-jährigen Söhnchen Childebert II. Fredegund hat die zweite Etappe ihres Ziels erreicht, auch mit der Verbannung Brunichilds und ihres Sohnes nach Rouen.

Doch Chilperich hat sich einen Widersacher eigenen Blutes geschaffen, Merowech, der älteste Sohn (nach dem Tod Theudeberts) aus der Ehe mit Audovera zieht 576, von einem Feldzug nach Poitiers kommend, in Rouen ein und schließt die Ehe mit der Königinwitwe Brunichild.
War es Bischof Praetextatus von Rouen, der den jungen Merowinger zu Hilfe rief oder war es Brunichild selbst? Dazu schweigen die Quellen. Ganz sicher kamen Merowech die Pläne Brunichilds und des Bischofs von Rouen den eigenen sehr entgegen. Das Schicksal der eigenen Mutter Audovera vor Augen, die in einem Kloster in Le Mans ihr Leben fristete, kannte er die Wankelmütigkeit des Vaters unter dem Einfluss der königlichen Mörderin. Mit Hilfe der Königinwitwe Austriens wäre er fähig gewesen, ein eigenes Königtum anzutreten, das ehemalige große Reich Sigiberts, um Chilperichs Treiben in die Schranken zu weisen. Ganz sicher konnte er sich dabei auf den Bischof von Rouen stützen, seinen Patenonkel, der ihn und Brunichild auch getraut hatte und den Adeligen Boso Guntchram, den wir später (im Jahre 585) allerdings als Räuber und Grabschänder im austrasischen Reich sehen werden.
Der wahrscheinlich von Merowech inszenierte Aufstand in der Champagne, die Empörung des Volkes von Rouen gegen Chilperich und nun die Eheschließung mit Brunichild lassen den neustrischen König die Bedrohung aus dem eigenen Lager erkennen und blitzschnell handeln. So kann Merowech dem zürnenden Vater nicht entgehen, der ihn von Brunichild trennt. Leib und Leben der Königswitwe selbst und das des minderjährigen Königs Childebert II. aber wagt Chilperich nicht anzutasten Verzweifelt, jedoch vergeblich versucht Merowech immer wieder zur Angetrauten zu stoßen: Das zögerliche Verhalten der Austrasier, die sich der wahren Absichten des Neustriers nicht sicher sind und letzlich die Ermordung Merowechs im Jahre 577 (im Auftrag Fredegundes) ziehen einen Schluss-Strich unter die kühnen Pläne des merowingischen Prinzen.
 Fredegund hatte eine weitere Etappe auf dem Weg zu ihrem Ziel gewonnen.
Aber ihrer größten Widersacherin und Feindin Brunichild war die Flucht nach Austrasien gelungen.(Ende des 1.Teils)
 
 
Merowech
 


 

Sonntag, 27. April 2014

Haie und kleine Fische




Nightmare – eine Vorstellung, die das Blut in den Adern gefrieren lässt:

Schrecklicher Alptraum –  Menschen -  nur ihre Torsi, denen Arme und Beine abgetrennt wurden – liegen hilflos verblutend im Wüstensand, ein elender Tod – fast im Sekundentakt sterben drei und die Welt schaut zu. Totentanz!


Während ich dies schreibe sind im Laufe des Jahres 200 Millionen Lebewesen gestorben und die Grausamkeiten finden kein Ende! Es ist, als würden täglich immer mehr Menschen ihrer Arme und Beine beraubt, weil ganzen Völkern suggeriert wurde, diese Extremitäten wären schmackhaft und würden zu Heilzwecken oder als Potenzmittel dienen.

 
Du Mensch, findest das grotesk und widerlich?  - Und doch verursachen wir solche Greuel. Es geschieht tagtäglich an unseren ältesten Mitgeschöpfen in den Meeren, den Haien, die seit 400 Millionen Jahren die Meere bewohnen und damit - älter als die Dinosaurier - deren Lebenszeit in der Erdgeschichte weit überlebten.
 
 
                                                        Riffhai (Wikipedia gemeinfrei)   
 
Während ich dies schreibe erkenne ich mit Erschrecken wie wenig wir eigentlich über Haie wissen. Die Mär vom mordenden bestialischen weißen Hai, der blutrünstig und gierig nach Menschenfleisch die Meere durchstreift, geistert immer noch durch die Köpfe, festgesetzt auch durch reißerische Filme wie jener durch sensationslüsterne Effekthascherei geschwängerte  „Der weiße Hai“.
Natürlich sind Haie wilde Tiere, ebenso wie Wildschweine, Löwen und Tiger. Während aber die Felle von Löwen und Tigern Wärme suggerieren, ist  uns der Hai fremd geblieben, sein mit Zähnen bewehrtes Maul flößt Angst und Schrecken ein, seinen Lebensraum teilen wir nicht.
 Während ich dies schreibe überlege ich wie das Wesen, der Knorpelfisch Hai, wirklich lebt, wie es evtl.seine Kindern in die Kunst des Lebens und Überlebens einführt.  500 verschiedene Arten dieser Meeresspecies gibt es, von denen die meisten von Plankton leben, manche auch von kleinen Fischen und einige, wie der weiße Hai, auch von Robben, da er als Warmblütler fähig ist, diese Tiere zu bejagen.
 Während ich dies schreibe bedenke ich die Tatsache, dass Haie erst mit 30 Jahren zur Geschlechtsreife gelangen und nur alle zwei bis drei Jahre Junge gebären oder manche Arten auch Eier in einer dicken Hülle in Seetang oder Felsspalten ablegen, zum Schutz vor Raubfischen. Die Embryos ernähren sich vom Dottersack, nach dem Schlüpfen sind die jungen Haie auf sich allein gestellt.
 
                          Haifischeier - kurz vor dem Schlüpfen (Wikipedia c) Dirk Hoffmann)
 

Während ich dies schreibe erstaunt mich die Information, dass Haie keine Schwimmblase besitzen, ihr Auftrieb nur mit Hilfe ihrer stark ölhaltige Leber erfolgt und sie aus diesem Grund ständig in Bewegung bleiben müssen. Es erstaunt mich, dass die Natur auch Ruhehöhlen in den Meeren für Haie bereit hält, die durch besondere Wasserverhältnisse
den Haien ermöglicht, ohne ständige Bewegung zwar nicht zu schlafen, aber zur Ruhe zu kommen.
 
Während ich dies schreibe überlege ich, wie wenig wir, die wir die Arten retten wollen, die wir das Töten selbst als widerwärtig empfinden und zum Schutz der Haie eintreten, über diese äußerst interessante Spezies wissen. Aber wie viel weniger wissen die Helfershelfer der mörderischen Fischerei-Industrie, das bestätigten Taucher, die sich mit chinesischen Helfern  in den Haiwelten bewegten
 
 
                                       Walhai, die größte Haiart (c) Wikipedia . gemeinfrei
 
 
Wissen ist Macht, Information und Aufklärung ihr wichtigster Bestandteil
 
Überprüfen wir unsere eigenen Vorurteile auf ihre Richtigkeit:
 
Haie gibt es zu viele -  falsch
Im Gegenteil viele Arten sind schon fast ausgestorben, wie z.B. die Dorn- und Zitronenhaie, die stark im europäischen, aber auch besonders  im amerikanischen Raum als bevorzugter Leckerbissen, wie der „Schillerlocke“ auf dem Speisezettel stehen. Andere Arten werden demnächst  aus den Meeren für immer verschwinden.  Die sog.“ Beifänge“, bedingt durch die im großen Stil meeresplündernden industriellen  Abfischungen, haben in den letzten Jahren den Bestand der großen Meerestiere aufs Äußerste dezimiert.  Neuere Forschungen der Universität Halifax haben ergeben, dass etwa 80 % der Hochseehaiarten bereits ausgestorben sind. 
 
Haie sind dumm -  falsch
Die hochspezialisierten Haie – mit 7 Sinnen ausgestattet –  zeigen sich als äußerst sensible, schlaue Tiere, die z.B. besser sehen als Katzen und über einen besseren Geschmackssinn verfügen als Menschen und sogar sich durch Gesten untereinander bemerkbar machen können, also ein soziales Verhalten zeigen.
 
Haie sind böse aggressive, Menschenfresser - falsch
Man kann von durchschnittlich weltweit 12 Haiunfällen im Jahr ausgehen, ebenso viele wie bei Unfällen mit Elefanten. In dieser Zeitspanne sterben weit mehr Menschen durch einen Blitzschlag; denn Menschen stehen nicht auf dem „Speiseplan“ des Hais.
 
Haie sind  Fressmaschinen - falsch             
Haie fressen oft viel weniger, als andere Tiere und nur so viel wie sie zu ihrer Ernährung brauchen. Bei manchen Arten ist  der Organismus ist so eingerichtet, dass sie Futter auf Vorrat einlagern können, andere wiederum können sechs bis sieben Tage ohne Nahrung leben.                         
                         
Haie sind unwichtig - falsch
Sterben die Haie, sterben allmählich die Meere. Das Meer durchfließt die Haie, sie sind die wichtigsten Meeresfilter . Ein Korallenriff ohne Haie erlischt innerhalb eines Jahres.
 
Es würde dicke Bücher füllen,  um mit allen menschlichen Vorurteilen, insbesondere jenen, die seit dem 19. Jahrhundert entstanden sind, aufzuräumen.
 
Was mich entsetzt:
 
Haifischflossen-Handel
Als Hauptakteure im Handel mit Haiflossen erweisen sich die EU-Staaten,  in vorderster Front Spanien und Portugal, sie  sind damit hauptverantwortlich für das Hai-Desaster, denn 54 % des Geschäftes mit Haiflossen werden in der EU getätigt, die dadurch den 80 %igen Rückgang der entsprechenden Haiarten zu verantworten hat.
 
Sportfischerei, Hai-Jagd
Schätzungen sprechen davon, dass alleine vor der Ostküste der USA 2,5 Millionen Haie von sog. Sportanglern gefangen werden. Es gilt dabei als höchste „Disziplin“ einen Tiger- oder Blauhai zu besiegen, ein Ritual, das sich auf folgende Weise abspielt:
Entweder werden die Haie so lange am Haken mit dem Boot mitgezogen oder mit einer scharfen Harpune solange traktiert, bis sie verenden. Ein weiteres Freizeitvergnügen der gelangweilten „reichen und schönen“ Sporttaucher ist sehr beliebt, nämlich kleine Haie mit einer Harpune zu töten. Verbote dieser grausamen Sportfischerei werden umgangen, indem diese lebenverachtenden Angler und Taucher in andere Gegenden abwandern, die dieses mörderische Vergnügen erlauben. Als Gipfel dieser Unterwasser-Jagden werden die Haizähne oft nach gelungenem „Kampf“ als Trophäe um den Hals getragen.
 
Das einzig Erfreuliche:
Seit 2012 hat die EU das Abtrennen der Haiflossen – also das Finning – auf offener See verboten, die ganzen, ungeteilten toten Körper müssen in den Häfen angelandet werden. Diese Maßnahme verhindert zwar nicht endgültig das Haifinning, aber eine Kontrolle über die Anzahl der getöteten Haie und die Fangzahlen  ist auf diese Weise  möglich.
  
Resümee:
Wir sind verpflichtet, uns mehr über diese interessante Spezies zu informieren, denn sie sind wesentlich älter als wir, ihre Evolution begann vor 400 Millionen Jahren, die des Menschen vor lächerlichen knappen  7 Millionen.
Sie filterten die Meere, sorgten schon für deren Gleichgewicht im empfindlichen Ökosystem bevor die Menschheit den blauen Planeten bevölkerte und ihn zu zerstören begann. Mehr Wissen ist angesagt: Treten wir Ignoranz und Arroganz entgegen, klären wir auf, und zeigen wir unserer MIT-Welt - auch China -  wie unwirksam z.B. die traditionelle chinesische Medizin ist, dass für den Placebo-Effekt des „Hai-Knorpel-Pulvers“  auch ein Glas klaren Wassers genügt. Zeigen wir, dass es für Menschen ethisch nicht vertretbar ist, diese wichtigen Meeresbewohner nur für einen Teller verkochter, quecksilberbelasteter Knorpelmasse zu massakrieren.  
Ausrottung der Haie – Zerstörung der Meere – Tod der Menschheit.
  
Der Hai  – ein schutzbedürftiges Mitgeschöpf.
Der Mensch – der fressgierigste Räuber des Planeten, geistig nur ein kleiner Fisch.
 


 
 
 
 Elke Gelzleichter April 2014