Die hohe Zeit der Brunichild und ihr Ende
Brunichild,
nun Regentin Austrasiens für den unmündigen Sohn, erkannte, dass
Adel und Geistlichkeit, im ständigen Kampf um reiche Pfründe und
Macht, im diplomatischen Intrigenspiel unsichere Faktoren waren, kein
fester Boden, auf den sich ein Königtum gründen konnte und strebte
die Stärkung der königlichen Macht durch ihre Zentralisierung an,
eine Maßnahme die nach und nach die austrasischen "leudes",
die sich in ihrer Einflussnahme und Macht beschränkt sahen, in 2
Lager spaltete.
579
heiratete Ingunde, die älteste Tochter Brunichilds aus der Ehe mit
Sigibert ,den westgotischen Prinzen Hermenegild, der auf Wunsch seiner
merowingischen Frau zum römisch-katholischen Glauben konvertiert
war, eine Handlung, die den König Leovigild, arianischen
Glaubens, mit der Witwe Athanagilds - also der Mutter
Brunichilds - verheiratet, zum Kampf gegen den Sohn
herausforderte, ihn 583/584 vor Sevilla belagernd. Hermenegild, der
um das Leben von Frau und Sohn fürchtete, unterstellte beide dem
Schutz oströmischen Kaisers Mauricius, der 585 die Herausgabe
Ingundes und ihres Sohnes von den Westgoten forderte, was auch
gewährt wurde. Ingunde, deren Mutter Brunichild vergeblich auf
Unterstützung durch die Großen Austrasiens bei der Befreiung der
Tochter "in Marokko" bat, verstarb auf dem Weg nach Byzanz
in Karthago. Athanagild, der Enkel, lebte allerdings bis zu seinem
Tode am Hof von Byzanz, trotz der ständigen Bitten der Großmutter
Brunichild an die Kaiserin Anastasia, den Enkel doch wieder in seine
Heimat zurückzusenden. Hermenegild starb im Jahre 586 und ging als
der "heilige Hermenegild" in die Annalen ein.
Während
Brunichild in Austrasien versuchte, die Macht des Königs zu sichern,
wütete in Neustrien die Megäre auf dem Königsthron, Fredegunde. Im
Jahre 580 erreichte sie, dass Chilperich seinen letzten lebenden Sohn
aus der Ehe mit Audovera gefangen nahm und ihn Fredegunde
unterstellend, in Noisy-le-Grand einkerkern ließ. Chlodowech starb
dort infolge eines Mordauftrags der Fredegunde (dem Vater wurde der
Tod des Sohnes als Selbstmord dargestellt), im gleichen Jahr wurde
Audovera im Kloster von Le Mans ermordet, so dass die Schätze dieser
Merowinger-Sippe der Fredegunde in die Hände fielen. In diesem
unseligen Jahr 580 schien sich Fredegunde auch zum Mord an ihrer
Tochter Rigunth entschlossen zu haben. Einerseits wird von
Handgreiflichkeiten zwischen Mutter und Tochter berichtet,
andererseits davon, dass Fredegunde ihre Tochter bewogen habe, sich
aus der Schatztruhe etwas auszuwählen und sie habe, als sich Rigunth
über die geöffnete Truhe beugte, versucht, sie mit dem
gewaltmäßigen Schließen des Deckels zu erwürgen. In letzter
Minute habe die Dienerschaft Rigunth retten können.
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Mordversuch der Fredegunde an Tochter Rigunth |
Das
nächste Jahr 581 brachte Brunichild in Schwierigkeiten. Ein Teil der
"leudes" hatte sich, unter der Führung des Aegidius,
Bischof von Reims, auf die Seite Chilperichs geschlagen und brachte
Brunichild und König Childerich in eine prekäre Lage. Zur besseren
militärischen Kontrolle der Abtrünnigen hatte Brunichild den
Ducatus Champagne errichtet, Reims und Chalons umfassend, und dem
Getreuen Lupus unterstellt, der 581 ermordet wurde. Der Abrünnige
Wintrio übernahm an seiner statt den Ducatus. Brunichild entgegnete
wirkungsvoll mit der Entfernung des Bischofs Aegidius und Berufung
des Lupus-Sohnes Romulfus auf den Bischofsstuhl von Reims.
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Chilperich und Fredegunde |
584.
Der Westgotenkönig Leovigild bat Chilperich I um die Hand seiner
Tochter Rigunth für den Sohn Rekkared. Rigunth begab sich, mit
reichen Schätzen von der Mutter ausgestattet, und einem Heer von
Bediensteten unter Waffen vom Vater auf den Weg nach Toledo, das sie
nie erreichte. Chilperich wurde ermordet. Rigunth konnte unter diesen
Umständen nicht mehr weiterreisen und trat den Rückweg nach
Neustrien an. Die Austrasier, die Gunst der Stunde nutzend, eroberten
in einem Überfall die wohl unrechtmäßigen Schätze aus dem Bestand
der Fredegund zurück. Es sei Sigiberts, also der austrasische
Königsschatz, war die Begründung.
Anders
als bei Sigiberts Tod in Austrasien bricht das neustrische Reich nach
dem Tod Chilperichs zusammen, die "leudes" Neustriens
stehen nicht an Fredegundes Seite bzw. zu dem erst 4 Monate alten
Thronerben Chlotar. Auch Fredegunde begibt sich in den Schutz König
Guntchramns/Gunthrams von Burgund, der 577 den minderjährigen Sohn
seines Bruders Sigibert Childerich zum Schutze adoptierte. Fredegund
muss hingegen 300 Große Neustriens bemühen, die die Legitimität
Chlotars beschwören, ehe Guntram seinen Schutz gewährt.
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Merowingische Fibeln |
Ein
merkwürdiger Zufall dieser Tod Chilperichs, der kurz vor einer
Einigung mit Childebert stand. Genauso merkwürdig dieser Zufall, der
die Hochzeitspläne Rigunths zerschlug - sollte der Königsschatz
wieder nach Neustrien zurückkehren und das Land nicht verlassen?
587
Der von Fredegund geplante Mord an Childebert II. - er sollte einem
ähnlichen Angriff wie Sigibert zum Opfer fallen - wurde von
Brunichild vereitelt.
Dies
war der Anlass für den Vertrag von Andelot, der im November 587
zwischen Gunthram einerseits, Childebert und Brunichild andererseits
geschlossen wurde, mit der Ernennung Childeberst als Erben des
Burgundenkönigs.
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Siegel Rekkareds |
588/89
Rekkared, Prinz der Westgoten (der jüngere Sohn Leovigilds), bietet
Childerich II. und Brunichild zur Aussöhnung 100000 solidi für die
Unbilden, die Ingunde aufgrund der westgotischen Verfolgung erlitten
hatte und bittet um die Hand Chlodosinths, der jüngeren Schwester
Ingundes, die Gunthram als Vormund 588 nur widerwillig gewährt. Aber
die Hochzeit kommt dennoch nicht zustande, die Burgunden trauen dem
Westgoten nicht, der als Hauptverfolger Ingundes und Hermenegilds
sich ursächlich für deren Tod verantwortlich zeichnen muss. Um die
merowingische Prinzessin Chlodosinth/Chlodoswinth, die auch vom
langobardischen Erben beworben wurde, schweigen die Quellen nach 589.
Um
590 wird Childebert wieder in einen Krieg gegen die Langobarden
verwickelt. Die austrasischen Großen vertreiben Brunichild aus
Austrasien, die sich an den burgundischen Hof flüchtet.
593
tritt der Erbfall ein, König Gunthram stirbt, Childebert II. ist nun
König von Austrasien und Burgund.
596
Childebert II. stirbt mit nur 26 Jahren (möglicherweise ebenfalls
unnatürlichen Todes), die minderjährigen Enkel Brunichilds
Theudebert und Theuderich erben Austro-Burgund, Brunichilds große
Zeit als Regentin für die Enkel beginnt.
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Siegelring Childerichs
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597
stirbt Fredegunde und hinterlässt ihren Sohn Chlotar II. in dem
gleichen unbändigen Hass gegen Brunichild. Im gleichen Jahr greifen
die Enkel Brunichilds den Sohn der Fredegunde an und drängen ihn in
der Schlacht von Dormelles um das Jahr 600 auf einem schmalen
Streifen Neustriens zurück - ihm verbleiben nur die Gaue Rouen,
Beauvais und Amiens.
Um
600 wird im Ducatus Champagne Wintrio ermordet, angeblich auf
Veranlassung Brunichilds, was aber nicht dem Wesen der Königin
entspricht; es wäre ihr erster Auftragsmord und auch ihr letzter
gewesen, doch das Gerücht fasst Fuß und bildet den Auftakt zum Ende
Brunichilds.
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Fredegunde, ihr Blick spricht Bände |
Die
Allianz der merowingischen Brüder Theudebert (Austrasien) und
Theuderich (Burgund) hält nur bis etwa 604. Durch Theudebert II.
kommt es zu Grenzüberschreitungen im Elsass, um 605 wird gerade noch
ein Krieg verhindert. Zu einem Versöhnungstreffen 610 bei Seltz
erscheint Theudebert mit einem Heer und hat so den Vorteil auf seiner
Seite, er muss sich allerdings 611 mit einem Krieg gegen die Awaren
beschäftigen, was nun von Theuderich seinerseits 612 ausgenutzt
wird. Er schlägt seinen Bruder zunächst bei Toul und dann bei
Zülpich. Bei der Gefangennahme Theudeberts versucht Brunichild
vergebens das Schlimmste zu verhindern. Theuderich erschlägt
Theudebert, der im Verdacht stand, die eigene Ehefrau Bilichild
ermordet zu haben, und dessen Sohn.
Blitzschnell
reagiert Brunichild und ernennt den Urenkel Sigibert II., den Sohn
Theuderichs, zum Herrscher über Austrasien, um selbst wieder einmal
die Regentschaft zu übernehmen. Dieser Schachzug schlägt fehl. Die
"leudes" der Austrasier, die sich übergangen fühlen,
stellen sich nun offen gegen Brunichild, sie rufen Chlotar II. ins
Land und als es 613 zur Schlacht kommt, verweigern auch die Burgunden
ihrem König den Dienst und bleiben tatenlos.
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Portrait Chlotar II. |
Zu
der Fehleinschätzung Brunichilds kommt noch die Folge von
Theuderichs Auseinandersetzung mit St. Columban von Luxeuil hinzu.
Dieser, um die Legitimierung der Söhne Theuderichs
gebeten, verweigert diese für den König wichtige Handlung,
Theuderich verweist den Heiligen des Landes, der nach Italien
zieht. Der Unmut von Adel und Geistlichkeit gegen die
austro-burgundischen Herrscher dient als Quelle geheimer und
offener Empörungen und führt in der Summe der
Fehlentscheidungen schließlich zum Eklat.
Theuderich
lässt 613 sein Leben. Brunichild wird mit Theudelinda, einer
Schwester Theuderichs, in Orbe bei Neuchâtel von dem burgundischen
Hausmeier verraten und an Chlotar II. ausgeliefert. Chlotars Rache
ist fürchterlich. Zwei von Theuderichs Söhnen lässt er sofort
ermorden, lediglich Merowech, sein Patensohn wird verschont.
Childebert gelingt die Flucht. Über Brunichild hält Chlotar
Gericht. Sie soll den Tod von 10 Merowinger-Königen verschuldet
haben (paradoxer Weise sogar den von Sigibert I.), es folgen
Folterungen und schließlich die Tötung der 63-jährigen Königin:
Mit dem Haupthaar, einem Arm und einem Bein an den Schweif eines
Pferdes gebunden wird sie zu Tode geschleift bzw. von den Hufen
zerschlagen bis - wie es wörtlich heißt - "die einzelnen
Glieder abgefallen sind".
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Tod der Brunichild 613
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Vorbei
waren sie die glänzenden Tage von Metz, vorbei aber auch der 50
Jahre währende Krieg nach der Reichsteilung im Jahre 561 unter den
Söhnen Chlotar I. Brunichilds angestrebte Reichseinheit konnte
Chilperichs Sohn verwirklichen: Alle merowingischen Konkurrenten
waren getötet, die Reiche fielen ihm in den Schoß. Doch nach
10-jähriger Regierungszeit - die Regierung der Reiche gestaltete
sich wohl schwieriger als er angenommen hatte - überantwortete
er 923 Austrasien seinem Sohn Dagobert I., der in der Nachfolge
seines Vaters ab 929 als Dagobert, der Gute. in die Annalen der
Geschichte einging.
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Unterschrift Dagoberts |
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Dagobert, der Gute
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Nicht
nur Kriege hat Brunichild geführt, viele Orts- und Kirchengründungen
gehen auf sie zurück, einige von ihnen blieben im Gedächtnis der
Zeit bewahrt:
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Bruniquel
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Bruniquel
(Frankreich): Die Burg des Ortes soll von Brunichild erbaut worden
sein.
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Kirche zu den Heiligen Chrispinus und Chrispinianus in Lisdorf (Stadtteil von Saarlouis): Wie die Fama erzählt, etwa 570 durch Sigibert I. und Brunichild gegründet mit Überführung der Gebeine der beiden merowingischen Heiligen
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Kirche in Lisdorf im ehem. Bliesgau
Autun, der Ort, an dem Chlotar II. Brunichild nach ihrem Tod in der von ihr gegründeten Kirche St. Martin mit königlichen Ehren bestatten ließ.
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Der Dom zu Worms - hier ein Bild von 1901 - soll auf eine Gründung der Brunchild um das Jahr 600 zurückgehen, hier in Rot die merowingische Basilika - aus einer ehemals römischen Anlage erbaut.
Fast sagenhaft erreicht uns die Geschichte aus alten Zeiten, sagenhaft das Leben einer großen Königin, ungerecht und ungesühnt erscheint uns in heutiger Zeit ihr Untergang. Doch bedenkt man es recht, liegt die Ursache dieses 60jährigen Bruderkrieges in der unbändigen Gier, dem Hass, der Eifersucht und dem Neid eines einzelnen Menschen, einer Wahnsinnigen auf dem Königsthron und erinnert daran, dass sich auch heutigentages die Ursache für moderne Kriege offenbar nie verändert hat.
Sagenhaft
zeigen sich auch die Spekulationen über den Ursprung der Nibelungensage. Viele
sehen in Sigibert I. den Helden Siegfried der Nibelungensage. Auch
der Kampf der Königinnen zeigt sich in umgekehrter Form zwischen
Fredegund und Brunichild. Allerdings wurde der Name Kriemhild von der
Frau Sigiberts III. Chimnehild entlehnt. Der Dom zu Worms, der eine
tragende Rolle im Nibelungenlied spielt, wurde um 600 in einer frühen
einfachen Form von Brunichild gegründet. Die berühmte Tarnkappe
könnte von der wundertätigen Capa St. Martins herrühren, die in
der Volksfrömmigkeit der Merowinger eine große Rolle spielte. Als
Hunnen wurden von den Merowingern die Awaren bezeichnet, gegen die
sie häufig ihr Land verteidigen mussten. Auch Brunichild heiratet
wieder wie die Kriemhild, um ihre Rache zu vollenden. Wie die
Kriemhild der Sage geht letztlich auch Brunichild an der Verfolgung
ihrer Rachepläne unter.
Szene aus der Nibelungen-Sage im Rathaussaal von Passau