298101_R_K_by_Carsten-Przygoda_pixelio.de |
Drum besser wär's, dass nichts entstünde!
Mit diesen Worten[1] führt sich Mephisto bei Faust ein. In uns sträubt sich etwas gegen diese Aussage. Gewiss gibt es etliches, von dem auch wir uns wünschen würden, dass es nicht entstünde: Gier, Gewalt, Hass und Neid, Kriege, das Fressen und Gefressenwerden als Naturprinzip und die Zerstörung der Umwelt. Daneben gibt es doch aber sehr vieles, über deren Existenz wir uns freuen, wie den geliebten Partner, die eigenen Kinder, ein Stück heile Umwelt, einen Sonnentag am Meer. Was einem missfällt oder gefällt, unterscheidet sich natürlich von Mensch zu Mensch.
448434_R_by_Norbert-Schmitz_pixelio.de |
Wir unterscheiden also zwischen dem, was uns gefällt, und dem, was uns nicht gefällt. Mephisto unterscheidet jedoch nicht, denn er behauptet: »denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht«. Wie stehen wir dazu?
Nachdem wir bereits festgehalten haben, dass wir uns über etliches freuen und über anderes weniger erfreut sind, müssen wir Mephisto die Zustimmung verweigern, dass alles, was entsteht, wert ist, dass es zugrunde geht. – Oder vielleicht doch nicht …?
Wenn nichts mehr von dem, was entsteht, zugrunde ginge, dann wäre es auf unserer Erde noch mehr überfüllt, als es das ohnehin schon ist. Wir haben uns inzwischen daran gewöhnt, dass alles dem Naturgesetz vom Werden und Vergehen unterworfen ist, nicht nur die modernen technischen Geräte, denen das mögliche Zugrundegehen kurz nach Ablauf der Garantiezeit bereits eingebaut wird, nein, auch Pflanzen, Tiere und Gebirge gehen zugrunde. Selbst unsere Sonne und ganze Galaxien vergehen, wenn ihre Zeit gekommen ist. Für gewöhnlich haben wir auch keine Probleme damit, es sei denn, wir sind selbst davon betroffen oder jemand, der uns gefühlsmäßig nahesteht.
Wie sich also zeigt, sind wir gar nicht so weit von Mephisto entfernt, solange es um die Meinung geht, dass alles, was entstehe, wert sei, dass es zugrunde gehe.
Wie ist es aber mit der Schlussfolgerung: Drum besser wär's, dass nichts entstünde. Bleiben wir bei der Auffassung, der die Aussage für einiges gilt, für anderes aber nicht? Diese Wahl lässt uns Mephisto aber nicht, denn zumindest für den an einen höchsten Gott Glaubenden steht die Wahl allein ihm zu. Wir müssen uns folglich zwischen Zustimmung und Ablehnung entscheiden. Würden wir zustimmen, gäbe es nichts von dem, an dem unser Herz hängt. Lehnen wir ab, entsteht nicht nur das, was uns erfreut, sondern auch manches, worauf wir verzichten möchten. Obwohl wir die Entscheidung gar nicht treffen können, fragen wir uns einmal, wie unsere Entscheidung ausfallen würde.
Ich vermute, dass wir das, was wir lieben und schätzen, lieber eine begrenzte Zeit hätten als gar nicht.
Wolf-Gero
[1] Mephistopheles. Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das zu Recht, denn alles, was entsteht,
Ist wert, dass es zugrunde geht;
Drum besser wär's, dass nichts entstünde.
(Goethe: Faust I, 1338 bis 1341)
Und das zu Recht, denn alles, was entsteht,
Ist wert, dass es zugrunde geht;
Drum besser wär's, dass nichts entstünde.
(Goethe: Faust I, 1338 bis 1341)
Lieber Wolf-Gero!
AntwortenLöschenWenn auch die Welt derzeit aus den Fugen gerät, es wäre nicht besser, dass nichts entstünde. Dies kann nur der alles verneinende Geist wollen; denn er verneint auch letztlich damit die eigene Existenz (und deshalb kann er auch -im Gegensatz zu manchen finsteren Theorien - nicht der Kreator aller Schönheit in der Natur sein. Aber wir freuen uns über jeden Sonnenstrahl, jede Blume die blüht und jede Wesenheit, die das Licht der Welt erblickt - wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum.
Danke, Wolf-Gero, für den Anstoß zum Nachdenken, mehr Dankbarkeit für das, was wir noch haben und den Mut zu seiner Verteidigung, Anwälte zu sein für Gaia und ihre Kinder.
Viele herzliche Grüße
Pünktchen
Hallo Wolf Gero, dass ist schon recht schwere Kost, welche Du hier darlegst.
AntwortenLöschen"Warum etwas ist und vielmehr nichts," ist eine der ältesten philosophischen Fragen.
Martin Heidegger hat hier versucht sich mit seinem Begriffen vom Sein und Seienden einer Antwort zu nähern.
Zwingend zu Grunde liegt hier die Notwenigkeit von Wahrnehmung. Gäbe es keine Wahrnehmung, wäre da Nichts.
Wahrnehmung macht erst möglich, Werden und Vergehen, Fressen und Gefressen wahr zu nehmen.
Somit ist Wahrnehmung ein unverzichtbarer Aspekt der Natur, damit sie erkannt werden kann. Die "Natur" der Natur birgt so von Anfang an die Voraussetzung zur Wahrnehmung in sich.Vergänglichkeit ist zwar demnach ein Teil der Natur, weil sie sonst nicht fort bestehen könnte und Wahrnehmung erkennt diesen Aspekt, sie erkennt aber nicht die "Natur" der Natur in welcher es diese Vergänglichkeit nicht gibt, weil von Anfang bis Ende alles in ihr enthalten ist. Das besagt aber auch, dass das Wahrnehmen der Natur nur ein kleiner Ausschnitt ist, welcher von der "Natur" der Natur nur das Werdende und Vergehende erkennt (Seiendes), aber nicht das Sein, welches ohne diese begrenzte Wahrnehmung einfach nur IST. Also weder Geworden noch Vergehend je sein kann. Wir können also nicht sagen, besser wär´s, wenn nichts entstünde, denn alles entsteht erst durch Wahrnehmung, Einschätzung und Urteil.Das Sein aber kennt weder Wahrnehmung, Einschätzung noch Urteil, es IST einfach.
Erst der menschliche Geist wurde dazu fähig, dieses faustische Universum zu erschaffen, in welchem die Frage "warum Etwas ist und vielmehr Nichts"gestellt werden konnte. Das Sein aber braucht weder Gott noch Teufel, es ist göttlicher Natur und in sich nicht wahrnehmend durch Einschätzung und Urteil, diese Wahrnehmung haben nur der Natur entsprungenen Wesen, welche das Sein wohl ahnen, aber es nicht greifen können, weil sie glauben, es durch Werden und Vergehen zu verlieren, was aber dem Sein nicht entspricht, weil die Natur mit ihrer Wahrnehmung ein Teil des Sein´s ist, welches seinem Wesen nach unvergänglich und unverweslich, weder geworden noch vergehend ist.
LG
Ursula
Hallo Ursula!
AntwortenLöschenDanke für Deinen Kommentar!
» Zwingend zu Grunde liegt hier die Notwenigkeit von Wahrnehmung. Gäbe es keine Wahrnehmung, wäre da Nichts.«
Ein paar ergänzende Gedanken zu dem Begriff Wahrnehmung scheinen mir angebracht zu sein. Der Begriff muss als sehr umfassend aufgefasst werden, vielleicht in dem Sinne, dass etwas nicht ist, wenn es grundsätzlich nicht wahrgenommen werden kann, selbst mit den Möglichkeiten nicht, von denen wir noch gar nichts ahnen. Denken wir nur an die Funkwellen, die sich durch den Raum bewegen. Sehen und hören können wir sie nicht, wir wissen nur, dass es sie gibt, und technische Geräte ermöglichen es schließlich, sie hörbar werden zu lassen. Folglich können wir folgern: Kann grundsätzlich nichts wahrgenommen werden, ist auch nichts da.
Dennoch gefallen mir derartige Schlüsse nicht. Aus der Abwesenheit von Spuren auf die Nichtexistenz zu schließen lässt meines Erachtens eine Lücke in dem Logikgebäude, denn es bleibt immer die Möglichkeit, dass das Verwischen von Spuren auf derart geschickte Weise geschieht, dass wir es nicht nur nicht wahrnehmen, sondern uns nicht einmal vorstellen können, dass es das gibt.
Das, was sich davon absetzt, ist das, was keiner Wahrnehmung mehr bedarf, um sein zu können. Im Gegensatz zu dem, was Heidegger das Seiende nennt und das von der Wahrnehmung abhängt, gibt es das, was Heidegger das Sein nennt und das auch ohne, dass es wahrgenommen werden kann, existiert. Da das Sein definitionsgemäß nicht wahrgenommen werden kann, können wir weder beweisen, dass es das Sein gibt, noch, dass es das Sein nicht gibt. An dieser Stelle beginnt meiner Meinung nach schon das Glauben an etwas, man glaubt oder man glaubt nicht. Wir können an einen Urschöpfer glauben, aber wir können nicht wissen, ob es ihn wirklich gibt.
Liebe Grüße
Wolf-Gero
Hallo Ursula!
AntwortenLöschenDas Werden und Vergehen bedeutet Veränderung und ist im Grunde das, was wir Leben nennen. Wie ist es aber mit dem Sein? – Zunächst gibt es wieder zwei Möglichkeiten. Allerdings zerschlägt sich die eine davon sofort, denn dass sich das, was zum Sein gehört, verändert, kann nicht sein, denn dann gehörte es zum Werden und Vergehen. Folglich muss es unveränderlich sein. Wir nannten die Veränderung Leben. Müssen wir nun das Sein den Tod nennen? – Nein, selbstverständlich nicht, denn das, was wir für gewöhnlich Tod nennen, ist ein Teil von Werden und Vergehen, gehört somit zum Leben. Wir können mit einiger Berechtigung sogar behaupten, Werden und Vergehen gehören nicht nur zusammen, sie laufen streckenweise sogar parallel. Während zu Beginn eines Lebens das Gros der Veränderungen dem Werden zugeordnet werden kann, ist das Vergehen zwar auch schon relativ früh vorhanden, aber es macht nur einen winzigen Teil der Veränderungen aus. Gegen Ende des Lebens ist das Verhältnis von Werden und Vergehen entgegengesetzt. Nach dem Ereignis, das wir Eintritt des Todes nennen, ist das Gros der Veränderungen dem Vergehen zuzuordnen, während das Werden nur noch einen winzigen Bruchteil ausmacht. Wie berichtet wird, sollen Haare und Nägel noch eine gewisse Zeit wachsen.
Nachdem wir dem Werden und Vergehen auf den Grund gegangen sind, wenden wir uns wieder der Frage »Wie ist es aber mit dem Sein?« zu. Obwohl es sich nicht verändert, kann es nicht tot sein, denn auch das Vergehen ist noch Veränderung. Wir müssen das Sein folglich als eine dritte Existenzform ansehen.
Wir haben somit das Werden, das Vergehen oder das Leben, das Sterben und das Sein.
Liebe Grüße
Wolf-Gero
Hallo Wolf Gero, da muss ich Dir zustimmen, wir können mit unserer begrenzten Wahrnehmung das Sein nicht begreifen. Womit sich auch gleich eine Antwort auf Deine beiden sehr tief greifende Kommentare ergibt. Was wir mit unserer Wahrnehmung nicht erkennen können, muss wegen der Begrenztheit derselben nicht notwendiger Weise nicht existent sein. Wenn wir fragen, warum etwas ist, dann vielleicht deshalb, weil das, was wir als existent betrachten nur ein kleiner Teil dessen ist, was diese Existenz umfasst. Manchmal lichtet sich ein wenig der Schleier über dieser tiefen Unwissenheit, aber nicht weit genug um wirklich erkennen zu können.
AntwortenLöschenViele l. Grüsse
Ursula
Meine Lieben,
AntwortenLöschensehen wir nicht im Grund alles sozusagen aus der "Froschperspektive", manchmal von einem Seerosenblatt aus oder bestenfalls als Laubfrosch auch gelegentlich von einem Baum, das ist dann unsere "höhere Warte".
Viele herzliche Grüße
von Pünktchen (heute auch einmal Oma Frosch)
Liebes Pünktchen!
AntwortenLöschenMit der Froschperspektive hast Du natürlich recht, aber was bedeutet das? Sollen Oma Frosch und ihre Frosch-Enkel (nicht verwechseln mit Frosch-Schenkel!) davon abgehalten werden, sich darüber Gedanken zu machen, was die eigene Perspektive überschreitet? Das hast Du selbstverständlich auch nicht gemeint. Was Du sicherlich meintest, war, dass wir uns unserer tatsächlichen Perspektive bewusst sein sollen und nicht mehr Information aus einer Aussage herausholen, als in ihr enthalten ist.
Herzlichen Dank für Deinen Hinweis!
Viele herzliche Grüße auch an Oma Frosch
Wolf-Gero