Donnerstag, 24. März 2011

Machet euch die Erde untertan - Dominium terrae oder Fürsorgeauftrag?

Das tragischste und verheerendste Missverständnis der Christenheit liegt in der Fehlinterpretation des göttlichen Auftrags in Genesis 1,28 "machet euch die Erde untertan". Fast 2000 Jahre lang wurden diese Worte als die freie Verfügung über die Erde und das Gestatten ihrer Ausbeutung "mit allem, was darinnen ist", sozusagen als Dominium terrae verstanden. Nicht zuletzt trug die Unkenntnis der frühen Christen über das Leben der Menschen zur Zeit des Alten Testamentes zu falschem Verstehen und damit zu falschen Übersetzungen bei, auch die frühen Päpste griffen mit Befehlen in die Übersetzungen ein.
Zwar sprach schon in vorchristlicher Zeit der Dichter und Philosoph Ovid (43 v. Chr. bis 18 n. Chr.) vom "Goldenen Zeitalter", in dem die Früchte der Bäume und Kräuter den Menschen als Nahrung gedient hätten, Gerechtigkeit und Friede unter allen geherrscht habe und erst mit dem Verzehr von Fleisch die Schlechtigkeit in die Welt gekommen sei,
aber von einem Wissen über das Verbot des Fleischverzehrs in vorsintflutlicher Zeit und einem abermaligen Verbot nach dem Tod des Jesus von Nazareth weiß auch der spätantike, aus Dalmatien stammende Gelehrte und Kirchenlehrer Sophronius Eusebius Hieronymus (* 347 n. Chr. in Stridon, + 420 n. Chr. in Bethlehem) zu berichten. Von ihm, dem Übersetzer der Vulgata, stammte der Begriff der "cibi innocentes", der" unschuldigen Speisen", die nicht durch Blutvergießen gewonnen werden.
Der ehemalige Sekretär in Diensten von Damasus I. (Bischof von Rom), wurde von dessen Nachfolger Siricus (+ 399) - so berichtet die Fama - angewiesen, die Textstellen über das Verbot des Fleischessens und die der Wiedergeburt aus dem Text zu nehmen; denn dieser Papst (er war der Erste, der sich so nannte), war eigensinnig und ein eifriger Verfechter der Thesen des Konsils zu Nicäa. So hielt sich die These des "Dominium terrae" hartnäckig bis in unsere Tage, bis zu Papst Johannes Paul II., der dieser Fehlinterpretation mit der Erlaubnis, Tiere zu Experimenten zuzulassen (und zu quälen) in einzigartiger Weise die Krone aufsetzte.
Neuere Übersetzungen, die aus hebräischen und aramäischen Urtexten schöpfen und in einen Kontext zu dem Leben der Menschen des alten Palästina stellen, kommen zu dem Schluss, dass hier nicht die vermeintlich göttliche Genehmigung zur gnadenlosen Ausbeutung der Erde und ihrer Wesenheiten zu sehen ist, sondern, dass hier ein Auftrag der Fürsorge an die Verwalter der Erde ergeht.
Wenn man nun das Wort "Untertan" ins Althochdeutsche überträgt, heißt dieser Begriff "handgengan" und bedeutet, dass jemand an der Hand geführt werden muss, dass er Schutz und Obhut braucht.
So gesehen muss sich auch die christliche Kirche und ihre Lehrer den Vorwurf gefallen lassen, an dem heutigen destaströsen Zustand unserer Erde einen Großteil Mitschuld zu tragen. Umdenken tut Not, die ungetreuen Haushalter werden zur Rechenschaft gezogen werden..
Bildquellen: Ovid, Rubensbild des Hieronymus, Siricus: Wikipedia
Baby auf der Hand: Erdbeerlounge
Licht auf dem Weg: Pünktchen

3 Kommentare:

  1. Liebes Pünktchen!
    Dir ist wieder einmal ein großartiger Beitrag gelungen. Mir als Vegetarier und Gegner des Naturprinzips Fressen und Gefressenwerden schreibst Du aus dem Herzen. Beeindruckend finde ich auch die vielen Hinweise auf geschichtliche Daten. Sie zeigen wieder einmal, dass gewisse Menschen für den Gewinn von Macht und ihren Erhalt keine Skrupel kennen, dass sie alles so hinbiegen, wie es ihnen zum Vorteil gereicht.
    Vielen Dank für diesen Beitrag!
    Ganz liebe Grüße
    Wolf-Gero

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  2. Hallo Pünktchen, "machet euch die Erde untertan" ist nicht das einzige Mißverständnis.
    Beispiel die zehn Gebote wurden zu Verboten umfunktioniert und zum niederdrückendem Dogma, dass die Menschen in Schuld und Sühne zwang und die Eigenverantwortung für Entscheidungen und Handlungen gar nicht mehr zuließ.
    Du sollst nicht töten, (Dogma)
    Gebot: "Wirst Du töten ? Dann....usw.
    "Wirst du ehebrechen ? dann.....usw.
    "Du sollst nicht ehebrechen, (Dogma)
    Die Gebote sind Fragen an unser Gewissen, die Dogmen schließen die Frage aus und beladen sofort mit Schuld.
    Ich bezweifle eigentlich, dass der Satz, "machet Euch die Erde untertan", so richtig ist, sondern die Frage wird auch hier an den Anfang gestellt: "Macht Ihr Euch die Erde untertan ? Dann tragt Ihr die Verantwortung dafür, was auf ihr ihr geschieht. Das erscheint mir sinnvoll und wäre dieser Satz so je in den Kirchenlehren aufgetaucht, dann wären wir alle von diesen Lehren ausgehend von vorne herein als Bewahrer von Natur, Tier- und Umwelt eingesetzt. Die Ausbeutung im großen Stil, so wie sie praktiziert wurde und noch wird,wäre nicht in diesem Maße möglich gewesen. Es ist, wie man sieht, alles eine Sache der Auslegung. Die Kirche hat die ursprüngliche göttliche Weisung für ihre eigene Macht missbraucht und trägt somit einen großen Teil Mitverantwortung dafür,was aus unserer Heimat hier geworden ist.

    LG
    Ursula

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  3. Liebe Ursula,
    gerade bei Übersetzungen, die ein großes Sprachempfinden für fremde Sprachen voraussetzen, sind Fehler geradezu vorprogrammiert. Zu den ersten Bibelübersetzungen ins Lateinische wurden griechische Versionen genommen, die an sich schon vor Fehler strotzten. Gerade bei dem Hebräischen und Aramäischen - so habe ich mir sagen lassen - können viele Varianten hineingedeutet werden. Da kommt es einfach auf die eigene Kenntnis des jüdischen Geisteswesens an, und wer könnte das nicht besser als ein Jude. So sind für meinen Geschmack eher Übersetzungen durch Juden vorzuziehen, die doch manches gerade rücken. Dann wird zum Beispiel der berühmte Satz vom "Kamel durch das Nadelöhr" in das sinnvollere "eher geht ein Schiffstau durch ein Nadelöhr" verwandelt. Der griechische Übersetzer hatte wohl ein "Yota" übersehen. Luther selbst war sich bei seiner Turbo-Übersetzung aus dem Griechischen nicht seiner Sache sicher und sagte, dass er wohl das alte Hebräisch lernen müsse, um die Bibel richtig zu verstehen. Dieses Zugeständnis fiel ihm als Judenhasser sicher schwer.
    Neuere Übersetzungen stellen auch einen Satz im Abwûn - Vaterunser - klar, der mich schon als Kind verwirrte "und führe uns nicht in Versuchung..." Gott als Versucher? In einer neueren Variante - es gibt etliche davon, die zeigen wie variabel diese alte Sprache interpretiert werden kann - heißt diese Stelle "löse die Stränge der Fehler, die uns binden, wie wir loslassen, was uns bindet an die Schuld anderer"..
    Liebe Ursula, lieber Wolf-Gero, vielen Dank für eure ergänzenden und weiterführenden Kommentate.

    Viele lb.Grüße
    Pünktchen

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