Dienstag, 5. April 2011

Selbstgewähltes Leben? Präexistenz nach Origenes?

Ist es ein Zufall, dass in diesen Tagen Reinkarnation und Nahtoderfahrungen wieder zum viel diskutierten Thema mutieren? Wohl kaum! Kriege und Katastrophen führen derzeit dem Einzelnen das sichere eigene Ende wieder vor Augen und lässt ihn sich damit beschäftigen. Eines der schönsten Gedichte darüber, das Hermann Hesse zugeschrieben wird, gilt für viele Verfechter der Wiedergeburt als besonderes Geschenk, dessen Erkenntnis auch schwere Zeiten des irdischen Daseins in einem besonderen Lichte erscheinen lässt. Es heißt
Das Leben, das ich selbst gewählt
Ehe ich in dieses Erdenleben kam,
ward mir gezeigt wie ich es leben würde.
Da war die Kümmernis, da war der Gram,
da war das Elend und die Leidensbürde.
Da war das Laster, das mich packen sollte,
da war der Irrtum der gefangen nahm.
Da war der schnelle Zorn, in dem ich grollte,
da waren Hass und Hochmut, Stolz und Scham.
Doch da waren auch die Freuden jener Tage,
die voller Licht und schöner Träume sind,
wo Klage nicht mehr ist und nicht mehr Plage,
und überall der Quell der Gaben rinnt.
Wo Liebe dem, der noch im Erdenkleid gebunden,
die Seligkeit des Losgelösten schenkt,
wo sich der Mensch der Menschenpein entwunden
als Auserwählter hoher Geister denkt.
Mir ward gezeigt das Schlechte und das Gute,
mir ward gezeigt die Fülle meiner Mängel.
Mir ward gezeigt die Wunde draus ich blute,
mir ward gezeigt die Helfertat der Engel.
Und als ich so mein künftig Leben schaute,
da hört ein Wesen ich die Frage tun,
ob ich dies zu leben mich getraute,
denn der Entscheidung Stunde schlüge nun.
Und ich ermaß noch einmal alles Schlimme -
"Dies ist das Leben, das ich leben will!"
gab ich zur Antwort mit entschlossner Stimme.
So war's als ich ins neue Leben trat
und nahm auf mich mein neues Schicksal still.
So ward geboren ich in diese Welt.
Ich klage nicht, wenn's oft mir nicht gefällt,
denn ungeboren hab' ich es bejaht.
Das selbst gewählte Leben, Wiedergeburt als Gnade oder Bestrafung, beschäftigte nicht nur die Menschen unserer Zeit, sondern auch große Geister der Vergangenheit, unter ihnen z.B. auch Goethe und Schopenhauer.
Viele sehen in dem Philosophen, Kirchenschriftsteller und Märtyrersohn Origenes den ersten Reinkarnationstheoretiker der Christenheit; immer wieder wird er deshalb auch in neuerer Zeit bemüht, in der Beweisführung, dass sowohl das Judentum (Chassidim) als auch das frühe Christentum um die Erfahrung der Wiedergeburt wussten. Das Rad des Werdens, das Bhava chakra (skrt.) ist aus dem Buddhismus bekannt, in vielen Völkern (z.B. auch den Kelten) war das Wissen um die Reinkarnation obligat.
In dieser Tradition folgte Horigenes ("der von Horus stammende"), später Origenes (lat. Origenes Adamantius) geschriebene (der Aussprache des Namens entsprechend) um 185 n. Chr. geborene Alexandriener. Zunächst genoss er eine Ausbildung in der Schule Platons , später übernahm der Vater Leonides den Unterricht, bis dieser während der Christenverfolgung des Septimius Severus im Jahre 202 den Märtyrertod erlitt. Den übermächtigen Wunsch des jungen Ägypters, dem Vater auf diese Weise zu folgen, konnte die Mutter nur durch das Wegnehmen und Verstecken seiner Kleidung verhindern. Aber sie verarmte und gab den Sohn in die Obhut und den Schutz einer angesehenen wohlhabenden Frau.
Ab 203 soll er die Katechetenschule von Alexandria unter Clemens von Alexandria besucht und auch am gleichen Ort 28 Jahre unterrichtet haben. Zunächst wurde er vom Bischof Alexandrias Demetrius unterstützt, zog sich aber dessen Zorn und Feindschaft (bis zur Ächtung der Lehre von der Präexistenz als Häresie) zu aufgrund der besonderen kirchlichen Weihen, die ihm, dem Laien, bei einem Besuch in Jerusalem ohne Genehmigung des Demetrius zuteil wurden. In den Jahren 211-212 hielt er sich in Rom auf, begann anschließend im Heiligen Land ein Studium der hebräischen Sprache und unterwies den Präfekten von Arabien. Zu Gast bei Firmilian im kappadokischen Caesarea, unter dem Schutz der Kaiserwitwe Julia mamae in Antiochien, unterrichtete Origenes Dialetik, Ethik, Physik und Metaphysik. Gleichzeitig, in den Jahren 212-215 schrieb er sein vierbändiges Werk Peri archon nieder (nach Eusebius soll er 6000 Schriften während seines Lebens verfasst haben). Im ersten Buch behandelt er nach seinem Verständnis Gott, Logos, Hl. Geist, Seinsgrund und die Engel; im zweiten Buch die Menschen, einschließlich der Inkarnation, der Seele, des freien Willens und der Eschatologie. Der 3. Band enthält die Lehre von der Sünde und der Erlösung, während im 4. alles zu einem System zusammengefasst wird.
Von diesem großen, in griechisch geschriebenen Werk des Origenes ist im Original nichts mehr vorhanden, nur eine bruchstückhafte lateinische Übersetzung des Rufinus aus der Mitte des 4. Jhdts., aus der er - nach eigener Aussage - anstößige Stellen hinweggelassen habe, und so fehlt in dieser Übersetzung die Lehre über die Wiedergeburt, ja in den Schriften gegen Celsius, im Kommentar zu Matthäus, lässt der Übersetzer Origenes sogar seiner früheren Lehre widersprechen. Bewusste falsche Übersetzung?
Nach Origenes unterliegt die Wiedergeburt nicht dem Zufall. Das Auf- und Absteigen der Seelen in mehrere Leben wird von der Gotteswelt geleitet (!) und unterliegt nicht einem ewigen Kreislauf (Gegensatz zu den Pythagoraeern). Im reinkarnierten (materiellen) Zustand könne der Mensch keine umfassenden Erkenntnisse erlangen, sondern sei nur exkarniert zu höherem Wissen fähig. Das Auf- und Niedersteigen der Seelen diene zur Wiedereingliederung der "Gefallenen" in die himmlische Hierarchie, dabei sollen Erfahrungen zur Lehre und Erkenntnis dienen, kein Zwang oder Beeinflussung. Da nach Origenes der innerste Kern des Menschen göttlich sei, könne er des letzlichen Zurückfindens zu "seinen geistigen Wurzeln" gewiss sein.
Widersprüchlich sind die Angaben vom Tod des frühen christlichen Philosophen und divergieren vom Jahre 253 in Caesarea maritima bis zu 254 in Tyros.
Residuen der Kenntnis von der Wiedergeburt sind - zwar spärlich - auch heute noch andeutungsweise in der Bibel zu finden (Weisheit Salomos 2,1 in Verbindung mit 2,5; Matth. 11,14; 17,12. Mark. 9,12).
Die Idee vom Leben, das man sich selbst gewählt hat, von der Möglichkeit, durch neue Erfahrungen zu lernen, die Seele reifen zu lassen, lässt sie den Menschen nicht gelassener und gestärkter mit vielen Widrigkeiten seines Lebens umgehen?
Quelle: Wikipedia, http://www.origenes.de/
Bildquellen: Wikipedia (einschl. Rad des Lebens), Pünktchen: Himmelslichter (Sonne und Mond am Morgen).
Empfohlene (spannende) Literatur über eine Nahtod-Erfahrung: Betty J. Eadie: Licht am Ende des Lebens.

8 Kommentare:

  1. Liebes Pünktchen!

    Was nahmen Menschen immer wieder auf sich, um ihre Ideen anderen Menschen nahezubringen. Zumindest bei uns in der Bundesrepublik braucht niemand sein Leben zu riskieren, wenn er auf das eine oder andere hinweist. Es wartet auch kein Scheiterhaufen auf ihn, wie einst auf Giordano Bruno. Ist die Bedrohung des eigenen Lebens vielleicht erforderlich, um eigene Ideen, die allgemein herrschenden Meinungen widersprechen, mit Nachdruck zu vertreten?

    Im Rahmen meines noch unfertigen und deshalb auch unveröffentlichten Romans setze ich mich etwas mit der Existenz des Menschen und seinem langlebigen Anteil in sich, meistens Seele genannt, auseinander. Diese Auseinandersetzung läuft allerdings nicht auf geschichtlichen Schienen wie bei Dir, Pünktchen, sondern allein auf Gedanken und Vorstellungen. Was am Ende dabei herauskommt, ist natürlich kein Beweis für diese oder jene Auffassung, aber es erstaunt dennoch, was plötzlich alles gar nicht mehr so abwegig erscheint, wenn wir von gewissen Annahmen ausgehen. Selbst Nahtoderlebnisse werden nachvollziehbar, und es wird klar, warum der Mensch tot sein muss, bevor er diese Art von Erlebnissen haben kann. Außerdem verstehen wir, woher das Tunnelerlebnis kommt.

    Wir gehen davon aus, das der lebende Mensch gerade dort, wo es seine Erkenntnisfähigkeit betrifft, erheblichen Beschränkungen unterliegt und aus bestimmten Gründen auch unterliegen muss. Diese Beschränkungen gelten aber nur für den lebenden Menschen. Außerhalb eines menschlichen Körpers, also vor der Geburt oder nach dem Tod ist die Erkenntnisfähigkeit um vieles größer. Dann mag der zukünftige Mensch den Blick auf die Höhen und Tiefen eines möglichen Lebens erhalten und zugleich die Wahl, ob er dieses Leben führen möchte oder ob es ihm zu anspruchsvoll ist. Ohne es konkret zu wissen, ob die jetzige Lebensführung einen Einfluss auf seine folgenden Existenzen hat, ist der Mensch gut beraten, zu seinen inneren Werten zu stehen und sich nicht von vordergründigen und kurzlebigen Vorteilen verleiten zu lassen.

    Ganz liebe Grüße
    Wolf-Gero

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  2. Lieber Wolf-Gero!

    Da bin ich ganz Deiner Meinung, zumal neuere Forschungen (aufgrund der Planck'schen Quantentheorie) nach Meinung der Forscher darauf hinweisen, dass es ein Leben nach dem Tod resp. vor der Geburt gibt.

    Ganz herzliche Grüße
    Pünktchen

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  3. Hallo Wolf Gero und Pünktchen, ich denke, wenn Bewusstsein der schöpferische Teil des Lebens ist und Bewusstsein an sich weder greifbar noch sichtbar, aber unendlich ist, dann drängt sich bei mir die Vorstellung auf, das wir kein Bewusstsein haben, sondern das Alles im Bewusstsein existiert. Denn wenn wir Bewusstsein hätten, dann könnten wir es nicht verlieren. Wir können also unsere Wahrnehmung nicht als Bewusstsein bezeichnen, sondern alles Empfinden und Erleben würde somit in´s Bewusstsein fließen, welches unsterblich und unendlich ist. Das wiederum inpliziert, das Leben ein immer währender Prozess ist, welcher durch das Bewusstsein bestimmt wird. Materie ist Energie oder Bewusstsein und nach den physikalischen Gesetzen unzerstörbar, Beides kann also nicht verschwinden, es wandelt sich nur.

    Liebe Grüße an Euch
    Ursula

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  4. Hallo Pünktchen, noch eine kleine Anmerkung am Rande zu Deinem Kommentar:


    Für den amerikanischen Physiker Jack Sarfatti ist die Quantenverschränkung der Beweis dafür, dass Geist und Seele den Körper überdauern können. Der 1939 in New York geborene Wissenschaftler hat sich auch als Autor von populären Werken über Quantenphysik und Bewusstsein einen Namen gemacht. Sarfatti ist davon überzeugt, dass das Paradigma, welches Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften trennt, in Kürze zusammenbrechen wird. „Nichts geschieht im menschlichen Bewusstsein, ohne dass irgendetwas im Universum darauf reagiert. Mit jedem Gedanken, jeder Handlung beschreiben wir nicht nur unsere eigene kleine Festplatte, sondern speichern auch etwas im Quantenuniversum ab, das unser irdisches Leben überdauert”, lautet sein Credo.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Jack_Sarfatti
    http://de.wikipedia.org/wiki/Parapsychologie

    Alles Liebe
    Ursula

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  5. Hallo Pünktchen und Ursula!
    Zum Thema Bewusstsein gibt es eine Theorie, manche behaupten, sie sei bewiesen, was ich allerdings offen lasse. Nach dieser Theorie findet eine ständige Kommunikation zwischen dem einzelnen Ich und einem unabhängigen Bewusstsein statt. Dabei gleicht das persönliche Bewusstsein eher einem Sender und Empfänger als einem Speicher. Diese Theorie erklärt manche "unerklärlichen" Phänomene.
    Liebe Grüße
    Wolf-Gero

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  6. Hallo Wolf-Gero und Ursula!
    Max Planck sagte dazu selbst:"Nicht die sichtbare vergängliche Welt ist das Wirkliche, Wahre, Reale, sondern der unsichtbare, unvergänglichte Geist.
    Auch der niederländische Herzspezialist Pim van Lommel aus Arnheim bestätigt nach einer groß angelegten klinischen Studie das Leben nach dem Tod als "endloses Bewusstsein".
    Viele liebe Grüße
    Pünktchen

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  7. Hallo Wolf Gero und Pünktchen, ich denke das ihr Beide eine gute Theorie zum Thema anschneidet und ich bin mir sicher, dass in jeder die Wahrheit versteckt ist.

    LG
    Ursula

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  8. Noch einen Zusatz: Origenes bezeichnete die Schöpfung als den "ersten Sündenfall", offenbar hatte er schon Kenntnis darüber, dass das Leben durch eine sog. "Fehlschaltung der Natur" entstanden ist.

    Viele Grüße
    Pünktchen

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